: Bundesbank will etwas mehr Geld
■ Geldmengenziel für 1993 festgesetzt: 4,5 bis 6,5 Prozent
Frankfurt/Main (AFP/dpa/taz) – Die Bundesbank sieht nach den Worten ihres Präsidenten Helmut Schlesinger derzeit „keinen Spielraum“ für eine Senkung der Leitzinsen. Dies teilte Schlesinger gestern nach einer Sitzung des Zentralbankrats mit. Im Beisein von Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) setzte die Notenbank bei ihrer letzten Sitzung vor Weihnachten das mit Spannung erwartete Geldmengenziel für 1993 fest. Danach darf die Geldmenge M3 um 4,5 bis 6,5 Prozent wachsen. Das neue Ziel nähert sich damit den Realitäten an, denn derzeit schießt die Ausweitung der Geldmenge mit rund 10 Prozent weit über die Vorgabe von 3,5 bis 5,5 Prozent hinaus.
Seit 1988 verwendet die Bundesbank die Steuerungsgröße M3: Sie enthält neben dem Bargeldumlauf die Sichteinlagen, die Termingelder unter vier Jahren und die Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist. Die Bundesbank versucht, die Geldmenge nur entsprechend zum erwarteten Wirtschaftswachstum auszuweiten, um die Inflationsgefahr zu bannen. Inflation entsteht immer dann, wenn mehr Geld in Umlauf ist, als an Waren und Dienstleistungen produziert werden. Inzwischen hat sich gezeigt, daß M3 als Bezugsgröße problematisch ist: Im laufenden Jahr blähte sie sich trotz der hohen Leitzinsen immer weiter auf – ohne daß dies allerdings zu einer entsprechenden Inflation geführt hätte. Als Grund nennen Experten Sonderfaktoren: Die hohen deutschen Zinsen zogen Kapital aus dem Ausland an; der Staat subventionierte hierzulande die hohen Zinsen, so daß diese nicht abschreckend auf Kreditnehmer wirken konnten, und in Osteuropa fungiert die D- Mark teilweise als Parallelwährung. All das vermehrt M3 und kann durch hohe Leitzinsen nicht verhindert werden.
Trotzdem beharrte der Zentralbankrat auf weiterhin hohen Leitzinsen. Sie könnten erst dann gesenkt werden, wenn beim Geldmengenziel und bei der nach wie vor zu hohen Inflation bessere Ergebnisse zu verzeichnen seien, sagte Schlesinger.
Die Anhebung des Geldmengenziels gegenüber diesem Jahr begründete der Bundesbankpräsident mit den Wachstumshoffnungen in Ostdeutschland, für die die Bundesbank genügend Geld vorhalten wolle.
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