Gewalt auf dem Bildschirm

■ Senatsverwaltung für Jugend und Familie gibt Broschüre "Tips für Computerspiele" heraus / 150 gewaltverherrlichende Spiele stehen auf dem Index

Berlin. Das Horst-Wessel-Lied ertönt, mehrere eiserne Türen gehen – akustisch perfekt gemacht – auf. Sie geben den Blick frei auf einen Raum, in dem ein Bild von Hitler, der Reichskriegsadler und eine Hakenkreuzfahne in hoher Farbqualität zu sehen sind. Dieses „antifaschistische“ Computer- Kriegsspiel, in dem der Spieler die Rolle eines Resistancekämpfers im Kampf gegen Nazis übernimmt, kursiert kopiergeschützt auf dem Markt. Auf dem Index steht dieses gewaltverherrlichende Spiel, bei dem der Spieler, um seinen „Gesundheitszustand“ nicht gen null tendieren zu lassen, massakrieren muß, jedoch noch nicht. Die Bundesprüfstelle ist technisch noch nicht so versiert, das Spiel sehen und dann verbieten zu können.

Um die Auswahl gewaltfreier Computerspiele auf dem „für Eltern und Pädagogen kaum noch überschaubaren Markt“ zu erleichtern, hat die Senatsverwaltung für Jugend und Familie in Zusammenarbeit mit dem Förderverein für Jugend- und Sozialarbeit e.V. die aktualisierte Broschüre „Tips für Computerspiele“ in der fünften Auflage herausgegeben. Damit wird bundesweit erstmalig ein Empfehlungsverzeichnis speziell für IBM-kompatible Computer veröffentlicht. „Man kann nicht verantworten, den Zug zu verpassen“, kommentierte Jugendsenator Thomas Krüger (SPD) gestern die Vorstellung der Broschüre, mit der er „keine Verbotspädagogik“ betreiben, sondern dazu anregen will, „genau zu gucken, was es gibt“.

Indizierungslisten mit verbotenen Computerspielen werden vom Senat nicht mehr herausgegeben, da diese bei den Kids schnell zu „Hitlisten“ avancierten. Auf dem Index befänden sich zur Zeit ungefähr 150 Spiele, so Thilo Geisler, der bei der Senatsverwaltung für Jugend und Familie für den Jugendschutz zuständig ist.

Thomas Dlugaiczyk von der Computerspielberatung im Förderverein für Jugend- und Sozialarbeit e.V. hat zwar Verständnis dafür, daß „Ballerspiele Kindern Spaß machen“, warnt aber vor der stattfindenden „Gewöhnung an Gewalt“. Spiele wie „Rampert“, bei denen eine Küste vor feindlichen Angreifern mit Kanonen („prepare for battle“) geschützt werden muß, empfiehlt er nicht, da es der „Auseinandersetzung mit Gewalt am Computer“ dient. Immer wieder wies Dlugaiczyk gestern darauf hin, daß „Zeit zum intensiven Auseinandersetzen dasein muß“, denn wenn die Kids die Spiele im Jugendklub nicht spielen dürfen, dann tun sie es – ohne Kontrolle – eben zu Hause.

Für empfehlenswert hält Dlugaiczyk dagegen das „kreative Spiel am Computer“. Bei dem Wirtschaftsstrategiespiel „Der Patrizier“ zum Beispiel muß der Spieler als Kaufmann im Jahre 1353 mit „guten Geschäften gutes Geld“ verdienen und in der Hierarchie der Hanse aufsteigen. Bei diesem „Oscar-würdigen“ Spiel (so die Broschüre) erfahren die Kids Wissenswertes über die Geschichte der Hanse und die Musik des 14.Jahrhunderts. Weiterhin empfiehlt die Broschüre Sport-, Abenteuer-, Simulations- und Strategiespiele. Auch wenn die Broschüre vielen Eltern, Tanten und Großeltern die Suche nach einem gewaltfreien Weihnachtsspiel für die Kids erleichtert, hält Dlugaiczyk den Anteil der empfehlenswerten Spiele noch für „zu gering.“ Auch bedauert er, daß es wenige Ökologiespiele gibt. Barbara Bollwahn

Die „Tips für Computerspiele“ können schriftlich angefordert werden bei der Senatsverwaltung für Jugend und Familie, Am Karlsbad 8-10, 1000/30, oder bei der Computerspielberatung im Förderverein für Jugend- und Sozialarbeit e.V. Berlin in der Rungestraße 20, 1020 Berlin (bitte zwei Mark in Briefmarken beilegen).