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Gestapo-Gelände: Bonn blockiert Neugestaltung

■ Bauwettbewerb „Topographie des Terrors“: Immer noch keine Finanzierungszusage von der Bundesregierung

Berlin. Höflich zu bleiben hatte Michael Guttmann vom Zentralrat der Juden in Deutschland spürbare Mühe. Er vermied es, von Skandal zu sprechen, und drückte nur seine „große Verwunderung“ aus: Weil Finanzminister Theo Waigel (CSU) Einspruch eingelegt hat, gibt es immer noch keine Zusage des Bundes, sich finanziell an der künftigen Gestaltung des Prinz- Albrecht-Geländes zu beteiligen. Das wurde am Donnerstag abend auf dem Symposium zum Bauwettbewerb für das Gebiet am Martin- Gropius-Bau bekannt. Als ebenso skandalös darf gelten, daß die Bundesregierung es nach langem Schweigen vor wenigen Tagen strikt abgelehnt hat, eine an das Gelände grenzende Fläche freizugeben. Sie wird von der Post als Parkplatz genutzt, gehört historisch aber zum Gelände der nazistischen Terrorzentrale zwischen Wilhelm- und Stresemannstraße. Bonn, so erläuterte Peter Ostendorff, als Mitarbeiter des Bausenators für den Wettbewerb verantwortlich, wolle den Platz für Regierungsbauten freihalten.

Aber es war nicht nur dieser Affront gegen eine umfassende Gestaltung des Geländes, der zu einer teilweise erregten Debatte beitrug. Deutlich wurde vor allem, welches Politikum die Neubebauung des Geländes geworden ist. Der Verdacht stand im Raum, in hauptstädtischen Zeiten gehe es darum, ob die Erinnerung weiterhin so rauh und wund präsentiert oder doch ein wenig geglättet wird.

Wie der Ort künftig gestaltet werden soll, darin sind sich die am Verfahren Beteiligten weitgehend einig. Auch der Senat, der nach fast zehnjährigem Diskussionsprozeß und einem 1984 gescheiterten Wettbewerb im April 1992 eine Stiftung gründete und dieser das Gelände übertrug, möchte das Gelände als „Ort der Täter“ erhalten. Das Areal, auf dem die Gestapo, die SS und das Reichssicherheitshauptamt residierten, soll eine „offene Wunde“ bleiben und, so Kultursenator Roloff-Momin, „jene stören, die durch eine schön gestaltete Stadt gehen wollen“.

Die geplante Bebauung soll dem gerecht werden. Die Wettbewerber sollen in enger Rücksprache mit dem Preisgericht nach Lösungen suchen. Zwölf Architekten sind dazu eingeladen, darunter so renommierte wie Josef Kleihues. Jörg Steiner, der das jetzige Provisorium erbaute, nimmt ebenso teil wie die Architekten Enzmann, Ettel und Kirschning, die sich als damalige DDR-Bürger schon 1984 am Wettbewerb beteiligten und dafür Repressionen erfuhren.

Errichtet werden sollen bis 1995 ein Ausstellungsgebäude mit der gleichen Größe wie der jetzige provisorische Bau, dazu ein Besucher- und Dokumentationszentrum (2.700 Quadratmeter Nutzfläche) und eine internationale Begegnungsstätte (2.000 Quadratmeter). Die Bauten, so führte Ostendorff aus, sollen das Gelände „nicht erdrücken“. Gedacht sei an eine „puristische Architektur“ mit einer „zurückhaltenden Formsprache“.

Doch nicht die Frage, ob eine Begegnungsstätte oder ein Besucherzentrum gebraucht wird oder ob das Gelände in seiner herausfordernden Kargheit weiterbestehen sollte, war Gegenstand der Diskussion. Im Mittelpunkt stand am Donnerstag abend vielmehr der Protest gegen das Verfahren. Initiativen wie der Verein „Aktives Museum“, die das Gelände nach Jahrzehnten der Vernachlässigung und Abriß erst wieder ins Bewußtsein der Stadt brachten und die gegenwärtige Gestaltung durchsetzten, fühlen sich vom Senat rücksichtslos ausgegrenzt. Aus dem gleichen Grund haben auch die anfänglichen Bearbeiter des Wettbewerbs die Arbeit niedergelegt. Erregt protestierte der ehemalige IBA-Chef und Architekt Hardt-Walther Hämer gegen die Vereinnahmung der Planung durch die Verwaltung. Die Verwaltung aber werde sich nicht gegen Bonn durchsetzen können. Gerade angesichts des skandalösen Verhaltens der Bundesregierung könne nur der öffentliche Druck ein demokratisches Bauen erzwingen, so Hämer unter großem Beifall. Gerd Nowakowski

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