Mahnung zu Solidarität

■ Türkische Delegation kritisiert Menschenrechtsorganisation

kritisiert Menschenrechtsorganisationen

Die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei waren gestern abend Thema einer Veranstaltung im Hotel Schanzenstern. Während tausende Menschen mit einer Lichterkette ihre Solidarität mit ausländischen Mitbürgern demonstrierten, forderten die türkische Rechtsanwältin Ümran Gün (Rechtsbüro des Volkes) und die Herausgeberin der in Istanbul erscheinenden Wochenzeitung „Mücadele“, Gülten Sesen, Solidarität auch mit den in der Türkei lebenden Menschen.

1In einem taz-Gespräch übten sie heftige Kritik an den Menschenrechts-Organisationen. Insbesondere „amnesty international“ (ai) beziehe keine Stellung zu den Menschenrechtsverletzungen. Obwohl „ai“ hinreichend über das Regime in der Türkei informiert sei, fehle es an deren „praktischem Handeln“. Ümran Gün und Gülten Sesen berichteten, daß unlängst ein Oppositioneller vom Militär verschleppt worden sei. Augenzeugen dieses Vorfalls wollten aus Angst vor der Polizei ihre Aussagen nur

1vor Vertretern von „ai“ machen. Eine Anfrage bei „ai“, ob dies möglich sei, wäre jedoch ohne Erfolg geblieben. Die Organisation hätte geantwortet, man könne aus finanziellen Gründen keine Delegation in die Türkei schicken.

Für die beiden Frauen ist diese Haltung nicht verwunderlich. Nachdem es seit dem 12. September 1992 in der Türkei eine neue Koalitionsregierung gebe, habe das europäische Interesse an den dortigen Vorgängen rapide abgenommen. „Wenn ein Mensch von einem Panzer zu Tode geschleift wird, reagiert die deutsche Regierung zwar, aber nicht, weil gefoltert wird, sondern weil mit deutschen Panzern gefoltert wird.“

Die Zustände in der Türkei erinnerten sie an das Chile unter Pinochet. Für die Menschen sei es sogar viel schlimmer, denn Chile sei eine „anerkannte faschistische Diktatur“ gewesen und die Türkei firmiere als demokratischer Staat in Europa. Deshalb hätten viele Schwierigkeiten, zu glauben, was sie berichten. Norbert Müller