: Messer-wetz-Ehe
■ „Offene Zweierbeziehung“ / Premiere im Packhaustheater im Schnoor
Eine simple Geschichte: Er geht heimlich fremd, sie fühlt sich sexuell vernachlässigt und bettelt um Beachtung. Aber man(n) ist modern und definiert kurzerhand die Beziehung um.
Fortan sind Seitensprünge erlaubt und Eifersucht verboten. Das nennt sich „offene Beziehung“ — ein Deal zwischen zwei vernünftigen Menschen.
Die „Offene Zweierbeziehung“, oftgespielte Erfolgskomödie der italienischen Autoren Franca Rame und Dario Fo hatte am Donnerstag im Bremer Packhaustheater im Schnoor Premiere.
Wen wundert's: die Gefühle spielen nicht mit. Messerwetzend und zähnebleckend geraten die Eheleute aneinander. Ergreifende Szenen spielen sich ab, aber dennoch fließen keine Tränen der Rührung im Publikum.
Im Gegenteil. Grotesk überspitzt gerät der verzweifeltste Aufschrei und die gehässigste Beschimpfung zur komischen Nummer. Er doziert über verlogene Moralvorstellungen und mutiert zum schnieken Gockel. Sie veranstaltet zwecklose Verschönderungskuren und versteigt sich in Mösen-Verfolgungswahn — bis sie ihre Emanzipation als Waffe entdeckt. Merke: Ein Liebhaber, egal ob erfunden oder real, zwingt den treulosen Gatten in die Knie.
Ein Stück zum „Die Sau rauslassen“. Und das machen die beiden. Stefan Schneider aus Berlin, dem Bremer Publikum durch zahlreiche Gastspiele im Packhaustheater bekannt, wirkt durch seine jungenhafte Erscheinung als Macho doppelt komisch. Sabine Vitua, offensichtlich im ersten Teil vom Premierenfieber geplagt und stellenweise unkonzentriert, fängt sich nach der Pause und legt nochmal richtig los. Sie ist zur Zeit am Züricher Schauspielhaus engagiert. Dort stand sie in den vergangenen Monaten zusammen mit Packhaustheater-Regisseur Michael Derda in dem Stück „Das Geld anderer Leute“ von Jerry Sterner auf der Bühne.
Erwähnenswert ist auch die Ausstellung mit Vorarbeiten zu Bühnenbildern von Dieter Konrad im Foyer des Theaters. Sie zeigt Skizzen, Zeichnungen, Modelle und Photos von Bühnenbildern, die von 1990 bis 1992 im Packhaustheater zusammen mit Jens Imhoff realisiert wurden. Jedes Bühnenbild ist ein kleines Kunstwerk, obwohl es im Packhaustheater kaum Geld und keine Werkstätten gibt. bear
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen