: The Waste Land
Ein Symposium zur Vorbereitung des Bauwettbewerbs „Topographie des Terrors“ auf dem sogenannten Prinz-Albrecht-Gelände diskutierte zwei Tage lang über neue Gestaltungskonzepte ■ Von Ruth Johanna Benrath
Ratlosigkeit und Verärgerung – nicht nur unter den ArchitektInnen – zeichnet sich im Vorfeld des Bauwettbewerbs zur Gestaltung des Prinz-Albrecht-Geländes ab. Auf einem zweitägigen Symposium, veranstaltet von der Stiftung „Topographie des Terrors“ sowie der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen und der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten, wurden in kontroversen Diskussionen mehr Fragen aufgeworfen als geklärt werden konnten. Die Veranstalter, allen voran der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Prof. Dr. Reinhard Rürup, hatten Mühe, die seit jeher emotional geführte Debatte um die Nutzung und Bebauung des Prinz-Albrecht-Geländes sinnvoll einzugrenzen.
Schließlich befand sich auf diesem Areal die Schaltzentrale des faschistischen Terrors: Das Gestapo-Hauptquartier, ehemalige Prinz-Albrecht-Straße 8 (jetzige Niederkirchnerstraße) und der Sitz von SS und Reichssicherheitshauptamt im Prinz-Albrecht-Palais, Wilhelmstraße 102. Nach 1945 wurden diese nicht vollständig zerstörten, also wiederaufbaufähigen Gebäude abgerissen und das Gelände tiefenttrümmert. Diese Art der Vergangenheitsbewältigung setzte sich fort in der Verfremdung des Geländes durch eine Bauschuttfirma, durch ein Autodrom („Fahren ohne Führerschein“) und durch die Errichtung eines Parkplatzes. Erst Anfang der achtziger Jahre besann man sich, gezwungen durch die unmittelbare Nähe zum als Ausstellungsgebäude neu genutzten Martin-Gropius-Bau, auf die jahrzehntelange regelrechte „Verschüttung der Tatsachen“ auf dem Prinz-Albrecht-Gelände.
In einem 1983/84 vom Senat ausgelobten Gestaltungswettbewerb sollte „die geschichtliche Tiefe des Ortes mit den Nutzungsansprüchen wie Parkplatzgestaltung, Spielplatz, Bewegungsfläche etc. in Übereinstimmung“ gebracht werden – ein widersprüchliches Unterfangen. Der schließlich vom Regierenden Bürgermeister Diepgen eigenmächtig abgeblasenen Realisierung des bereits preisgekrönten Entwurfs folgte eine Phase intensiver Auseinandersetzung mit dem Zustand des Geländes. Dazu trugen vor allem die von Bürgerinitiativen und politischen Organisationen 1986 eingeleiteten Grabungsaktionen bei, die eben jene Keller- und Gebäudereste zutage förderten, die es heute als Bodendenkmäler zu erhalten gilt.
Die 1987 anläßlich des Berlin- Jubiläums errichtete Ausstellungshalle, die die Kellerräume eines Nebengebäudes des Gestapo-Gefängnisses einbezieht, war ausdrücklich nur als Provisorium gedacht, sie hat sich als solches aber erstaunlich gut bewährt: Jährlich besichtigen Hunderttausende aus allen Ländern das Gelände.
Durch den Fall der Mauer hat sich die Situation nun von Grund auf geändert. Das Prinz-Albrecht- Gelände rückte von seiner abgeschiedenen Lage am Rand der Mauer plötzlich in unmittelbare Nähe zum zukünftigen Regierungssitz. In das ehemalige Reichsluftfahrtministerium, später Haus der Ministerien der DDR und derzeit noch Sitz der Treuhand, will beispielsweise das Bundeswirtschaftsministerium einziehen: Die wechselvolle deutsche Geschichte ließe sich schon an der Geschichte ihrer Gebäude ablesen, heißt es. Der neue Hauptstadtboom und die dementsprechenden Gebäudeansprüche der Bundesregierung blockieren nun auch die zügige Durchführung des Anfang 1993 neu auszulobenden Bauwettbewerbs, zu dem sich bereits 12 ArchitektInnen gemeldet haben.
Schon auf der öffentlichen Abendveranstaltung (siehe Bericht vom 12.12.) überbrachte Kultursenator Roloff-Momin den zukünftigen WettbewerbsteilnehmerInnen, dem Preisgericht, der Fachöffentlichkeit und den geladenen Interessierten eine Hiobsbotschaft: Die Bundesregierung habe sich auf Einspruch von Finanzminister Waigel eine definitive finanzielle Zusage vorbehalten. Außerdem gäbe es keinerlei Verhandlungsbereitschaft, was ein historisch zum Gelände gehörendes Grundstück des Bundesfinanzministeriums betrifft: Derzeit wird das Areal an der Anhalter Straße von der Post als Parkplatz genutzt.
Gerade diese Fläche ist aus Platzgründen aber für die planerische Einbeziehung beinahe unverzichtbar. Die neu zu errichtende Ausstellungshalle, die die derzeit provisorische ersetzen soll, ist durch ihre Nachbarschaft zu den 1986 entdeckten Zellenböden des Gestapo-Hausgefängnisses an ihren jetzigen Standort gebunden. Das geplante Besuchs- und Dokumentationszentrum muß in unmittelbarer Nähe zur Ausstellungshalle errichtet werden, da das gesamte Gelände als Brachlandschaft erhalten bleiben soll.
Diese Einsicht trägt nicht zuletzt den Erfahrungen des umstrittenen Wettbewerbs von 1983/84 Rechnung, bei dem die künstlerische Überformung des Geländes als Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus im Vordergrund gestanden hatte. Damals habe man sich, so der Architekturtheoretiker Dr. Hoffmann-Axthelm, mit dem Grauen des Geländes zu messen versucht, was zu problematisch symbolhaften und monumentalen Gestaltungsentwürfen geführt habe.
Jetzt gelte es genau den umgekehrten Weg einzuschlagen: Es müsse etwas entworfen werden, „das maximal klein ist“, gemessen an dem Ausmaß der Vernichtung und Zerstörung, die von diesem Gelände ausging. Die Architektur solle Abstand nehmen von sich selbst, so wurde den anwesenden ArchitektInnen doziert. Etwas Praktisches, vom Gebrauch her Bestimmtes soll nun her, am besten ein „undekorierter Schuppen“.
Die zukünftigen WettbewerbsteilnehmerInnen, allen voran die beiden BerlinerInnen Ingeborg Kuhler und Ivan Reimann, zeigten sich von derart ästhetischen Appellen unbeeindruckt und fragten geradeheraus, wie man denn überhaupt anfangen solle, zu konzipieren und zu planen, wenn die wichtigsten architektonischen Eckdaten noch ungeklärt seien: Wer soll die 46 Millionen Mark Gesamtkosten tragen? Welche Standorte bleiben für das Besuchs- und Dokumentationszentrum und das internationale Begegnungszentrum bei den restriktiven Standortvorgaben und den ungeklärten Eigentumsfragen überhaupt noch übrig? Ist der Postparkplatz definitiv unverfügbar? Wie wird man den bürgernahen Forderungen des Bezirksamtes Kreuzberg nach Integration des Geländes in seine Umgebung gerecht? Und wie kann bei all diesen konfliktbeladenen Fragen der vom Senat angesetzte Termin 8. Mai 1995, also fünfzig Jahre nach Kriegsende, eingehalten werden?
Derlei Bedenken begegnete der kurz vor Schluß eintreffende Kultursenator mit gelassenem Pragmatismus. Es sei nun einmal üblich, daß Politik nach finanziellen Gesichtspunkten gemacht werde – auch in hochmoralischen Fragen. Er jedenfalls werde sich wegen des Parkplatzes noch einmal „mit Nachdruck“ (O-Ton) beim Bundesfinanzministerium einsetzen. Was man darunter zu verstehen hat, bleibt abzuwarten.
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