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Zensur-betr.: "Horror vor der Willkür" (Gespräch über medialen Jugendschutz und Zensur mit Hans J. von Gottberg, FSK), taz vom 5.12.92

betr.: „Horror vor der Willkür“ (Gespräch über medialen Jugendschutz und Zensur mit Hans J.von Gottberg [FSK]), taz vom 5.12.92

[...] Erstens wird über die meisten Indizierungsanträge nicht vom „Zwölfer-Ausschuß“ entschiedene, sondern von einer Drei-Personen-Kommission. Zweitens sitzen dort, wie das Bundesverfassungsgericht schon 1991 bemängelte, keineswegs „Fachleute“, sondern fast nur selbsternannte „Jugendschützer“ [...]

Was von der fachlichen Kompetenz der BPS zu halten ist, zeigen am besten ihre Entscheidungen und Gutachten: noch 1990(!) stellte der Hamburger Pädagogik- Professor Horst Scarbath in einem BPS-Gutachten fest, die „Verharmlosung“ von Selbstbefriedigung und Homosexualität sei „schwer jugendgefährdend und sozial-ethisch desorientierend“ (Indizierung des „Beate-Uhse-Journals Nr.2“). Von dieser Qualität sind viele BPS-Entscheidungen, die nicht zuletzt deshalb zur Zeit reihenweise vom Bundesverfassungsgericht gekippt werden. Sehr häufig sind nicht fachliche Urteile, sondern die persönlichen sexuellen Vorurteile der Gutachter gegen alle Formen „abweichender“ Sexualität (...) Grundlage der BPS- Entscheidungen.

Das Fatale daran ist, daß eine BPS-Indizierung für Filme oder Bücher entgegen den ursprünglichen Absichten des Gesetzgebers praktisch eine Totalzensur bedeutet. Durch das absolute Werbeverbot dürfen zum Beispiel indizierte Bücher nicht mehr in den Verlagskatalogen aufgeführt werden, zum Teil nicht einmal in den Katalogen des Buchgroßhandels (wenn aus dem Titel ein pornographischer Inhalt ersichtlich ist). Wenn allein vom Rowohlt-Verlag teilweise über 40 Bücher indiziert waren (darunter sogar Zwerenz!), dann spricht das eine deutliche Sprache. Thomas Rohwer, AG S/M&Öf

fentlichkeit, Neumünster

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