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Militärische Modenschau

■ Presse und Pentagon operieren gemeinsam in Somalia

Washington (taz) – Das Verhältnis zwischen Pentagon und Presse war bislang eindeutig: Die Militärs bestimmten, wie weit die JournalistInnen gehen durften. 1983 sorgte das Verteidigungsministerium bei der Invasion Grenadas faktisch für einen Nachrichten- Blackout. In Panama oder während des Golfkrieges wurden Journalisten in Pools gepfercht wie Kleinkinder in den Laufstall. Jetzt wurde wieder einmarschiert – dieses Mal in humanitärer Mission. Das vermeintlich feindliche Gebiet, der Strand von Mogadischu, war bereits von der Presse bevölkert, als die ersten Marines an Land stiegen und entnervt oder perplex in die Scheinwerfer der Kamerateams blinzelten. Es fehlte nur noch die Stimme aus dem Off: „Jungens, das war noch nichts. Alle noch mal ins Wasser.“

Im Gegensatz zur „Operation Desert Storm“ wollte das Pentagon bei „Operation Restore Hope“ die Medien hautnah dabeihaben. Die US-Armee als militärischer Arm der Hungerhilfe – das ist in den Augen des Verteidigungsministeriums nicht nur eine mögliche neue Perspektive für die neue Weltunordnung, sondern auch eine ideale PR-Chance. Doch die Rechnung ging nicht ganz auf. Vordergründig schimpfte Verteidigungsminister Dick Cheney nach der Landung darüber, daß seine Truppen durch Kamerascheinwerfer geblendet worden seien. In Wirklichkeit dürfte ihn etwas anderes geärgert haben: Aus der Dokumentation eines realen Truppeneinsatzes wurde die Dokumentation der Dreharbeiten für eine martialische Soap-opera: Die Kamerateams filmten, wie andere Kamerateams die Marines filmten. Vor diesem Bühnenbild wirkten die Soldaten mit ihren schwarz bemalten Gesichtern mehr lächerlich denn heldenhaft, der gigantische technische Einsatz eher überzogen als angemessen.

Die Absurdität der Situation war auch den Starmoderatoren der großen TV-Gesellschaften vor Ort klar: Dan Rather, Anchorman bei CBS, räumte ein, dies habe zum Teil „Hollywood- oder gar Cartoonqualität“. Auch Tom Brokaw von NBC fühlte sich als Teil des Spektakels nicht wohl in seiner Haut. Dann besann er sich wieder auf seine Aufgabe, den Zuschauern daheim die US-Schiffe oder Hubschraubertypen zu beschreiben, die am Strand auftauchten. Wem das noch nicht nah genug war, der konnte bereits Stunden vor der Landung der US-Truppen über CNN Nachtaufnahmen von der somalischen Küste empfangen, deren blaugrüner Schimmer unwillkürlich an die Bilder aus dem Golfkrieg erinnerten. Der Beginn von „Operation Restore Hope“ vor laufenden Kameras war im Pentagon nicht zuletzt als militärische Modenschau gedacht – eine visuelle Demonstration für den zukünftigen Präsidenten Bill Clinton, der über die geplanten Budgetkürzungen zweimal nachdenken soll.

Allerdings wäre es falsch, die US-Medien als manipulierbare PR-Figuren des Pentagon darzustellen. Ein Teil des politischen Drucks, der zur militärischen Intervention geführt hat, wurde in diesem Fall mobilisiert durch Reportagen, Leitartikel, TV-Berichte und Diskussionen sowie durch Bilder zahlreicher Pop- und Filmstars, die jüngst Somalia besuchten. Hilfsorganisationen wie Care oder Oxfam haben die Presse weidlich genutzt, um die UNO und die Bush-Administration zu stärkerer militärischer Präsenz zu drängen.

Was nun folgt, ist der längst überfällige militärische Schutz für die Hungerhilfe – und in den USA die Ausstrahlung einer TV-Serie über eine dramatische Rettungsaktion. „Saving Somalia“ – so lautet der CNN-Titel für die Berichte über „Operation Restore Hope“. Die löst bei den Amerikanern zwar nicht jenen Hurra-Patriotismus aus, der während des Golfkriegs zum kollektiven Fahnenzwang führte. Aber ein identitätsstiftendes Moment ist auch hier dabei: Es geht nicht zuletzt um die Inszenierung des „guten Amerikaners“. Solange der Einsatz in Somalia aus US-Sicht reibungslos verläuft, wird das Pentagon weiterhin auf viele Kameras Wert legen. Auch wenn die Scheinwerfer manchmal blenden. Andrea Böhm

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