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Schröder schönt Asylvereinbarung

Für den SPD-Parteirat interpretiert Gerhard Schröder die Bonner Asylbeschlüsse eigenwillig flüchtlingsfreundlich/ Massiver Druck auf Justizministerin Alm-Merk  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

Im Vorfeld der heutigen SPD- Parteiratssitzung hat der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder eine „Bewertung des Asylkompromisses“ gefertigt, die die Asyl-Beschlüsse gegen innerparteiliche Kritik in Schutz nehmen will. Eine prominente niedersächsische Kritikerin des Asylkompromisses hatte der Ministerpräsident schon zuvor per Entlassungsdrohung ruhiggestellt: Um im Amt zu bleiben, hat die niedersächsische Justizministerin Heidi Alm-Merk nach einer Auseinandersetzung mit Schröder ein Zeitungsinterview zurückziehen müssen, in dem sie den Asylkompromiß zunächst scharf kritisiert hatte.

Gerhard Schröder spricht in seiner vierseitigen „Berwertung des Asylkompromisses“ von „einer Verzeichnung des Inhalts“ der Bonner Einigung vor allem durch die Flüchtlingsverbände. Die Kritiker der Bonner Vereinbarung behaupteten, daß künftig kaum ein Flüchtling Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens geltend machen könne. Demgegenüber vertritt Gerhard Schröder die Auffassung, daß es auch „künftig in Deutschland eine große Zahl von Flüchtlingen geben wird, bei denen geprüft werden muß, ob sie politisch verfolgt sind oder nicht“. Diese Auffassung begründet der Ministerpräsident hauptsächlich mit einer eigenen Interpretation der „Drittstaatenregelung“, die der Bonner Kompromiß ins Grundgesetz aufgenommen sehen will.

Laut der Bonner Parteienvereinbarung soll „Asylrecht nicht genießen“, wer aus einem EG-Land oder einem „anderen Drittstaat einreist“, in dem die Anwendung der Genfer Konvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention „sichergestellt ist“. In seinem Bewertungspapier weist Schröder nun daraufhin, daß nur „bei Nachweis einer Einreise des Flüchtlings über einen sicheren Drittstaat“ dieser nicht in das Asylverfahren aufgenommen werde. Gegenwärtig würden 95% der Asylbewerber ihren Antrag nach illegaler Einreise in die BRD im Inland stellen und hätten während der Asylverfahren ein Bleiberecht mindestens bis zur ersten gerichtlichen Überprüfung einer ablehnenden Entscheidung im Eilverfahren. Nach Auffassung von Schröder bleibt diese Rechtslage auch „auf der Grundlage des Asylkompromisses grundsätzlich erhalten“. So habe die SPD in den Verhandlungen verhindert, daß eine illegale Einreise von vorherein zum „Ausschluß der Asylgründe“ führe. Sie werde dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt „Nichtangabe des Fluchtweges“ zulassen, schreibt Schröder. Er reflektiert allerdings nicht, welche Chancen sich der Agitation von Rechts eröffnen durch die Unaufrichtigkeit, zu der Flüchtlinge im künftige Asyl- oder Reisewegprüfungsverfahren implizit gezwungen werden sollen.

Schröder legt besonderen Wert darauf, daß nach dem Kompromiß sowohl die „verfolgungsfreien Herkunftsländer“, als auch die „sicheren Drittstaaten“, über die Flüchtlinge nicht mehr einreisen können, lediglich durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates festgelegt werden können. Der Bundesrat solle Polen und die ČSFR erst dann als sichere Drittstaaten ansehen, wenn es zu einem Abschluß eines Vertrages über „Lastenverteilung bei der Aufnahme von Flüchtlingen und Festlegung von Zuständigkeitsregelungen gekommen ist“.

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