: PDS übt Hinwendung zur DDR
■ Auf dem Berliner PDS-Landesparteitag war Bekenntnis zur eigenen Geschichte gefordert/ Petra Pau zur neuen Landesvorsitzenden gewählt
Berlin (taz) – Der Bundesvorstand der PDS hatte die Stimmungslage seiner Berliner Genossinnen und Genossen schon vorausgeahnt. Bereits im Vorfeld des gestrigen Landesparteitages empfahl er eine Revision des sogenannten MfS-Beschlusses, wonach Funktionsträger der Partei eine Tätigkeit für die Stasi zu offenbaren haben, anderenfalls von ihren Ämtern zu entbinden sind. Der Vorstand will nunmehr von den Parteifunktionären nur noch fordern, daß sie die Vertrauensfrage stellen, sollten sie vor ihrer Wahl wesentliche Umstände ihrer Biographie verschwiegen haben. Die Parteiführer hofften, mit dieser Änderung den Druck aus einer Auseinandersetzung zu nehmen, die, seit der Beschluß im Sommer 1991 gefällt wurde, die PDS prägt. Doch was der Bundesvorstand an vorsichtiger Revision einläutete, ging vielen Delegierten nicht weit genug. Sie forderten eine Streichung des MfS-Beschlusses, verlange er doch, wie es der Abgeordnete Horst Kellner ausdrückte, „daß wir uns nach den Spielregeln des Gegners verhalten, Spielregeln, die uns eine Niederlage bereiten“. Die Partei werde durch den MfS-Beschluß erpreßbar. Auch der Bundesvorstand räumte im Nachhinein ein, daß der Beschluß gefällt wurde, um „innerparteiliche Konsequenzen öffentlichkeitswirksam deutlich zu machen“.
Diesem Druck der Öffentlichkeit wollen die Parteimitglieder nun nicht mehr ohne weiteres nachgeben. Eine neue Art von Selbstbewußtsein machte sich auf dem Parteitag breit, das Bekenntnis zur DDR als „historisch legitimen Versuch einer antikapitalistischen Alternative auf deutschem Boden“ war in vieler Munde. Der Bundestagsabgeordnete Uwe Jens Heuer kam gar, angesichts dessen, „wie schlimm sich die Welt in den letzten drei Jahren verändert hat“, zum Schluß, „daß es richtig war, die Mauer zu bauen, um diese Art Sozialismus zu retten“. Sein Vorsitzender Gregor Gysi war in dieser Frage „noch nicht festgelegt“. Im diesem historischen Licht betrachtet, geriet das MfS dem ehemaligen Landesvorsitzenden Peter Zotl zum „Instrument der Partei zur Durchsetzung ihrer Sicherheitsdoktrin“, die „den Erfordernissen der Klassen- und Systemauseinandersetzungen entsprach, und auch von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung getragen wurde“.
Er kam zu dem Schluß, daß die MfS-Mitarbeiter „vorwiegend progressive und humane Inhalte verkörperten“. Vor allem aus den Reihen der Mandatsträger wurde vor einer Streichung des MfS- Beschlusses gewarnt. Sie fürchten nach wie vor um die öffentliche Wirkung eines solchen Schrittes. Diese hatte auch Gysi vor Augen, als er darauf verwies, daß der im Januar tagende Bundesparteitag das letzte Wort über den MfS- Beschluß habe.
Aktueller Auslöser der Debatte um die Vergangenheitsbewältigung war der überraschende Rücktritt des Landesvorsitzenden André Brie im Oktober. Die daraufhin einsetzenden Auseinandersetzungen hatten auch Gysi veranlaßt, seinen Rücktritt als Bundesvorsitzender anzukündigen. Der Landesparteitag wählte gestern ohne größere Aussprache Petra Pau zu Bries Nachfolgerin. Die bisherige stellvertretende Vorsitzende war die einzige Kandidatin für dieses Amt. Dieter Rulff
Siehe auch Seite 11
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