: Damokles, Hühnerkram und der Haushalt '93
■ Generaldebatte zum Stadtetat in der Bürgerschaft / Wie wappnet man sich gegen Rezession und Einheitskosten?
/ Wie wappnet man sich gegen Rezession und Einheitskosten?
Gleich drei Damoklesschwerter baumelten gestern bedrohlich über der Generaldebatte zum Stadthaushalt '93 in der Bürgerschaft: Die rechtsextreme Gewaltn (allerdings nicht mehr ganz so bedrohlich nach der Sonntagsdemonstration), die Kosten der Einheit und die Wirtschaftsrezession (beide werden demnächst Hamburgs Kassen erheblich belasten). Drei Gefahren für die Hansestadt, die alle Parteien beschworen, angefangen von Senatschef Voscherau, über SPD- Chef Elste und CDU-Kollege Kruse bis hin zu Ulla Bussek von der GAL und Reinhard Soltau von der SPD. So weit so einig.
Strittig dagegen die Fragen, wie man sich gegen die drohenden Gefahren wappnet, und ob der amtierende SPD-Senat geeignet ist, dies auch in den kommenden Jahren zu tun. Klar, meint Bürgermeister Henning Voscherau, in der mittelfristigen Finanzplanung sind für 1995 und 1996 je 500 Millionen Mark für die Kosten der Einheit berücksichtigt. Und was die Rezession angeht, vertraut der Senatschef auf „die vorausschauende Standortpolitik“ seiner Regierung: Hafenerweiterung Altenwerder, eine Asienreise mit der Handelskammer und.... Mehr Beispiele nannte Voscherau nicht. Dafür noch der Verweis auf die „solide Haushaltspolitik“, nur 4,8 Prozent Wachstumsrate.
Viel zu viel, sagt die CDU und möchte so deutlich machen, daß der Senat eben nicht dazu geeignet ist, Damokles' Schwerter zu entschärfen. Voscherau wirft das „mit vollen Händen aus dem Fenster,“ wetterte Fraktionschef Rolf Kruse, statt es sinnvoll, strategisch gegen die befürchtete Rezession einzusetzen. Und wiederholte dann die Gefahrenentschärfungs-Rezepte der Union: Weniger Verwaltungskosten durch Bezirksreform, Verkauf von städtischen Unternehmen und die Einführung der „Wachstumsgrenze für Empfänger staatlicher Zuwendungen“.
Viel zu viel sagt auch die FDP. Sie möchte die Stadtkasse ebenfalls durch den Verkauf von Unternehmen ein wenig aufpäppeln und fordert außerdem den Verzicht auf zwei Senatoren. Gemeint waren: Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller und der Chef der Senatskanzlei Thoma Mirow.
Viel zu viele Ausgaben im Haushalt hat schließlich auch die GAL ausgemacht. Ihre Sparvorschläge: Weniger Geld für die Wirtschaftsförderung und die Hamburg Werbung, Auflösung der Hafenrand GmbH, Verzicht auf die Hafenerweiterung in Altenwerder und auf die Polizeikapelle.
Eine Chance auf Umsetzung hat keiner dieser Vorschläge, dafür wird die SPD-Mehrheit bei den Abstimmungen über den Haushalt am Mittwoch sorgen. „Hühnerkram“, titulierte der sozialdemokratische Fraktionschef Günter Elste gestern die Anträge der Opposition, „eine Flickschusterei bar jeder Strategie.“ Doch so ganz ohne Flickschusterei kommt dann auch die SPD-Fraktion nicht aus. In der Sozial- und Wohnungsbaupolitik will sie den Haushalt mit Anträgen im Gesamtwert von rund 20 Millionen Mark nachbessern. uex
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen