piwik no script img

DT64-Freunde kritisieren „Fritz!“

■ Fans des DDR-Jugendradios fordern ORB-Frequenz

Berlin/Potsdam. Mit einem nahezu masochistischen Mut der Verzweiflung kämpfen die FreundInnen des DDR-Jugendsenders DT64 für eine Rückkehr ihres Lieblingsradios auf eine UKW- Frequenz in Berlin und Brandenburg. DT64 sei „billiger und besser“ als Fritz! (schon der Name läßt nichts Gutes ahnen, d. K.in), das für März 1993 geplante gemeinsame Jugendradio der Anstalten ORB und SFB, sagten die DT64-FreundInnen auf einer Pressekonferenz zu Wochenbeginn in Berlin. Sie forderten eine UKW-Ausstrahlung zumindest von „Teilen“ des DT-Programms über ORB-Frequenzen und kritisierten das an der kommerziellen Konkurrenz orientierte Sendekonzept von Fritz!. Am liebsten aber wäre ihnen immer noch DT64 als „überregionales Jugendradio“ in Zusammenarbeit mit anderen ARD-Sendern. Auch bei der gestrigen Rundfunkratssitzung des ORB in Potsdam trugen die DT64-UnterstützerInnen ihre Forderungen vor. DT64 wird zur Zeit unter dem Dach des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) auf Mittelwelle 1044 MHz ausgestrahlt und soll im neuen Jahr eine Satellitenfrequenz erhalten. Dann wird auch der Name DT64 verschwinden, der die Christdemokraten im Südosten zu sehr an die realsozialistische Vergangenheit erinnert. Auch das DT64-Konzept soll sich wandeln: vom Jugendradio zum „europäischen Integrationsradio“. Die jetzigen Vorschläge der DT64-FreundInnen, die im vergangenen Sommer mehr als 500.000 Unterschriften für den Erhalt des Programms gesammelt hatten, stellen somit einen letzten Rettungsversuch für das Jugendradio als Jugendradio dar. Fritz!, so lautete ihre Kritik an SFB und ORB, sei „kein Jugendradio, sondern Formatradio ohne Unterschied zu privaten Sendern“. Sie zitierten aus einem „vertraulichen“ Fritz!-Konzept, das auch der taz vorliegt. Danach ist das Tagesbegleitprogramm „durchmagaziniert“ bei „fließendem Moderatorenwechsel“. Die Länge von Wortbeiträgen soll vier Minuten nicht überschreiten. Musikalisch ist ein „Klassik-Pop-Rock-Format“ vorgesehen, das zu jeweils fünfzig Prozent die englisch- und deutschsprachigen Titel der Rockgeschichte seit 1965 und passende aktuelle „Neuerscheinungen“ umfaßt. Erst in der „Spätabend-Musikachse“ sollen „gezielt Spezialangebote“ von Soul über HipHop bis Techno gemacht werden – allerdings „ohne in Extreme und Minderheiten-Sparten abzugleiten“. Die Nachrichten bei Fritz! sollen inklusive Wetter nicht länger als vier Minuten sein. Bei den Kurznachrichten ist nicht einmal eine „Mindestlänge“ vorgesehen – „wie bei Verkehrsdurchsagen“. Bernhard Pötter

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen