piwik no script img

Koalitionspalaver um Verkehrspolitik

Der Koalitionsausschuß von CDU und SPD sucht heute einen Ausweg aus den festgefahrenen Auseinandersetzungen um Parkraum und Busspur/ „Stimmung nicht schlecht“  ■ Von Dieter Rulff

Berlin. Bereits im September hatte der SPD-Landes- und Fraktionschef Ditmar Staffelt den Verkehrssenator Herwig Haase (CDU) sichtlich erbost aufgefordert, endlich die im Mai getroffenen Koalitionsvereinbarungen zur Verkehrspolitik umzusetzen. Anderenfalls „wäre der Fall eingetreten, wo es sich nachzudenken lohnt, ob Mißtrauen gegen Herrn Haase angebracht ist“. Staffelt setzte Haase ein Ultimatum bis zum 31. Oktober. In diesem Zeitraum sollte der Senator zumindest das Konzept zur Parkraumbewirtschaftung realisieren. Nichts dergleichen geschah, und am 27. Oktober war „die Geduld der SPD (...) erschöpft“. Nun war nach Staffelts Einschätzung „Eberhard Diepgen in seiner Autorität als Landesvorsitzender der CDU und auch als Regierender Bürgermeister gefordert“. Doch obgleich Diepgen Staffelts Kritik an Haases Vorgehen in manchen Punkten teilt, bewirkte auch dessen Autorität keine Änderung.

Heute abend befaßt sich der Koalitionsausschuß mit der Verkehrspolitik. Diesem höchsten Koalitionsgremium gehören Diepgen, Fraktionschef Klaus Landowsky und Generalsekretär Karl-Joachim Kierey für die CDU und Staffelt, Bürgermeisterin Christine Bergmann und die Vizevorsitzende Monika Buttgereit für die SPD an. Wie Fraktionssprecher Peter Stadtmüller erklärte, will die SPD die „Unterschiede fundamentaler Art“ mit dem Regierungspartner angehen. Es soll „perspektivisch vereinbart werden“, daß bei der Verkehrsplanung für die Innenstadt der modal split von 80 zu 20 Prozent realisiert wird. Zudem stehen auf der Wunschliste der Sozialdemokraten die Punkte, die bereits im Mai vereinbart waren, darunter das Parkraumbewirtschaftungs- und das Busbeschleunigungskonzept. Im Gegenzug hat die CDU die Strafvollzugspolitik auf die Tagesordnung gesetzt, ein durch die jüngsten Ausbrüche wieder populär gewordenes Thema. Über das weitere Vorgehen bei der Verwaltungsreform, gleichfalls ein Gesprächsgegenstand der Runde, sind sich die Koalitionspartner hingegen, bis auf zwei Punkte, weitgehend einig: Die SPD lehnt sowohl die von Diepgen geforderte Schaffung von Landesämtern als auch die Reduzierung der Zahl der Bezirke auf 15 ab.

An die jeweilige ideologische Substanz wird der vierte Verhandlungskomplex gehen. Die CDU will zukünftig die gymnasiale Bildung bereits mit der fünften und nicht mehr, wie bisher, mit der sechsten Klasse beginnen lassen. Gegen diese Pläne wehrt sich die SPD, da sie eine Entwertung der bisherigen Schulformen und die Herausbildung vermeintlicher Eliteschulen befürchtet.

Trotz dieser Konfliktpunkte ist, nach Stadtmüllers Einschätzung, die Stimmung in der Koalition nicht schlecht. Er setzt bei der CDU auf „die Einsicht in die Notwendigkeit“, immerhin sei auch ihr daran gelegen, die Handlungsfähigkeit des Senats zu erweisen.

In der Tat ist das öffentliche Image der Landesregierung, vor allem im Bereich Verkehrspolitik, schlecht. Doch wird eine personelle Änderung an der Spitze des Ressorts, wie noch im September von der SPD gefordert, dem Regierenden Bürgermeister derzeit nicht zugetraut. Eine Ablösung Haases müßte zudem, schon aus Gründen der Koalitionsarithmetik, auch zu Konsequenzen in der Riege der SPD-Senatoren führen, in Anbetracht der aktuellen Debatte um die Verwaltungsreform gar mit einer Verkleinerung des Senats und einem Neuzuschnitt der Ressorts verbunden sein. Deshalb wird bezweifelt, daß ein solcher Schritt noch innerhalb dieser Legislaturperiode erfolgt. Die SPD scheint sich inzwischen mit dem Zustand arrangiert zu haben: Zwar hat sich nichts geändert, doch wird die Kritik an Haase wieder moderater. Drohte Staffelt noch im September mit einem Mißtrauensvotum, so sprach Stadtmüller gestern nur noch von einem Schaden für „das Ansehen der Koalition“, sollte der Verkehrssenator mit seiner Politik fortfahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen