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Pleitewelle spült immer mehr Firmen weg

■ 9.500 West- und 2.000 Ost-UnternehmerInnen mußten 1992 zum Konkursrichter

Frankfurt/Main (dpa/taz) – Auch „vermeintlich solide Unternehmen“ werden vom Rezessionsstrudel weggespült. Die gegenwärtige Wirtschaftsflaute ist weitaus gravierender als die Krise 1982. Zu diesem Ergebnis kommt eine umfassende Studie über die Unternehmensentwicklung 1992 des Verbandes der Vereine Creditreform (Neuss), die gestern in Frankfurt vorgelegt wurde.

Nach den Prognosen der ExpertInnen der größten deutschen Wirtschaftsauskunftei wird die Zahl der Unternehmenspleiten 1993 in Westdeutschland auf 12.000 und in Ostdeutschland auf 2.000 zunehmen. In diesem Jahr mußten allein in den alten Bundesländern 9.500 zum Konkursrichter (1991: 8.445). Die damit verbundenen finanziellen Schäden werden für 1992 auf 19 Milliarden DM veranschlagt; im Vorjahr waren es noch zwei Milliarden DM weniger gewesen. 70.000 ArbeitnehmerInnen verloren in diesem Jahr unmittelbar durch die Pleite ihres Betriebs den Job.

Die zurückliegenden Konjunkturtäler 1975 sowie 1981/82 waren von einem „typischen Insolvenzverlauf“ gekennzeichnet, wobei meist junge, kleine Handels- und Dienstleistungsbetriebe das Handtuch werfen mußten. Derzeit geht es nach Angaben von Creditreform-Geschäftsführer Helmut Rödl aber „an die Substanz“. Im Gegensatz zu früher zeige das verarbeitende Gewerbe – bisher der Hort soliden Handwerks und Industrie – mit 25 Prozent die stärksten Zuwächse beim Gang zum Amtsgericht – auch wenn nach wie vor die meisten Pleiten im Dienstleistungsbereich und beim Handel zu verzeichnen sind. Rödl macht zu hohe Steuern und Zinsen neben der konjunkturschwäche für den Kollaps vieler Betriebe verantwortlich.

Der prognostizierte 93er Anstieg der Unternehmenszusammenbrüche in Westdeutschland mit mehr als 100.000 verlorenen Arbeitsplätzen ist nach Darstellung von Rödl auch das Ergebnis eines „Dominoeffektes“. Wenn Konzernriesen ihre Belegschaften nur leicht reduzieren und die Produktion schlanker machen, habe dies enorme Auswirkungen auf die Zulieferer. „Der Schnupfen der Großen wird zur Lungenentzündung für die Kleinen.“.

In Ostdeutschland steht im Gegensatz zu den alten Ländern das verarbeitende Gewerbe bei Neugründungen mit 46 (Westen: 14) Prozent im Vordergrund. Durch Neugründungen in der Ex-DDR wurden 1992 insgesamt 250.600 (Westen: 150.000) Arbeitsplätze geschaffen. 183.000 entfielen nach Schätzungen von Creditreform auf das verarbeitende Gewerbe. „Für die Bewältigung der Arbeitsmarktprobleme in Ostdeutschland ist dies aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, urteilt Rödl.

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