Telekom: Ein Monopolist kassiert

■ Selbst die Verbraucherzentrale rät nicht, wegen überhöhter Telefon-Rechnungen vor Gericht zu ziehen

vor Gericht zu ziehen

Ob der Gebührenzähler am Telefon noch ganz richtig tickt, hat sich wohl jedeR schon mal gefragt. Ein Rentner aus Altona aber traute seinen Augen nicht mehr, als er im April den Umschlag mit der Telefonabrechnung öffnete: Stolze 566 Mark hatte die Telekom ihm für den vergangenen Monat berechnet, obwohl er bisher im Durchschnitt nur 60 Mark zu berappen hatte. Vier Wochen später fiel der Schock noch größer aus: Diesmal belief sich die Zeche auf über 7600 Mark.

Eine Beschwerde bei der Telekom blieb ohne Erfolg: Er solle doch einen Kredit aufnehmen, empfahl man dem Rentner, der mit monatlich 1100 Mark auskommen muß.

Edda Castello von der Hamburger Verbraucherzentrale mußte sich schon mehrmals Klagen über absurde Telefonrechnungen anhören. „Es hat da gräßliche Fälle gegeben“, erinnert sie sich.

Doch den Ratsuchenden ist kaum weiterzuhelfen. Denn Gebührenbeschwerden akzeptiert die Telekom nur selten. Das Unternehmen pocht auf die Unfehlbarkeit seiner Technik. Edda Castello winkt ab: „Beweisen Sie als Kunde denen mal das Gegenteil.“

So wird der Gebührenbescheid zum Persilschein für die Telekom — die Beweislast liegt beim Kunden.

Vorwürfe, daß es bei Telefonrechnungen zu größeren Unstimmigkeiten kommt, hat die Telekom bisher energisch abgestritten. Ein Mitarbeiter des Unternehmens hat allerdings gegenüber der taz technische Fehlerquellen bei der Gebührenaufstellung benannt. Gibt es also Kabelsalat bei der Telekom?

Der Insider weiß von zwei Schwachpunkten in den sogenannten „Vermittlungsstellen“ der Telekom zu berichten, wo jeweils mehrere tausend Anschlüsse zusammenlaufen: Hier befinden sich mechanische Gebührenzähler, die nach dem Prinzip des einfachen Fahrrad- Kilometerzählers funktionieren. „Wenn sich da mal ein Rädchen nicht weiterdreht und bei der Neun stehen bleibt, merkt das kein Mensch“, so der Telekomer.

Die zweite Fehlerquelle: Die Wählverbindungen werden von sogenannten „Dreharmen“ hergestellt, kleinen Metallteilen, die sich leicht verbiegen können. Durch einen fehlerhaften Kontakt zwischen den Dreharmen soll es zuweilen vorkommen, daß mit jeder gewählten Ziffer sinnlos Gebühren auf das Konto eines anderen Teilnehmers geschaufelt werden, ohne daß dieser überhaupt den Hörer abgenommen hat.

Beide Schwachstellen regelmäßig vom Wartungspersonal überprüfen zu lassen, wäre jedoch ein erheblicher Mehraufwand für die Telekom.

Kein Anschluß unter dieser Nummer, meint dazu der Hamburger Telekom-Sprecher Hans-Joachim Brinckmann: „Das sind reine Vermutungen. Die Anlagen werden automatisch überprüft.“

Daß Menschen sich von Telekom ungerecht behandelt fühlen, ist jedoch kein Einzelfall mehr. In Essen hat sich bereits eine „Interessengemeinschaft Telekomgeschädigter“ gegründet. Der Name klingt kurios, die Beträge, um die es geht, weniger: Es liegen Beispiele vor, in denen die Telefonrechnung von etwa 100 Mark plötzlich auf über 13000 Mark stieg.

„Die Betroffenen werden von Telekom als Lügner dargestellt“, weiß Doris Belz zu berichten, die die Idee zur Gründung der Interessengemeinschaft hatte. „Hier gibt es eine Lücke im Verbraucherschutz“, meint sie und verlangt den Einbau von verbindlichen Gebührenzählern in jedem Haushalt, ähnlich den Wasser- und Stromzählern. Auch das lehnt Telekom ab.

1Individuelle Gebührenzähler, wie sie als Zusatzgeräte bereits angeboten werden, akzeptiert die Telekom nicht als Beweismittel. Selbst mit Hilfe eines Rechtsanwalts sind Telefonrechnungen kaum anzufechten. „Wir raten mittlerweile nicht mehr dazu, vor Gericht zu gehen“,

1sagt Edda Castello von der Hamburger Verbraucherzentrale. Allenfalls Ratenzahlungen lassen sich noch mit der Telekom vereinbaren.

Den Betroffenen bleibt nur ein Ausweg: das Telefon abzumelden, um solche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Uli Mendgen