: „Umweltpolitik wie bei Honecker“
■ BUND und Umweltsenator gegen Putsch aus Bonn
„Das ist ein umweltpolitischer Salto rückwärts. Dabei können wir nicht stillhalten.“ Umweltsenator Ralf Fücks und der BUND-Geschäftsführer Joachim Seitz schlagen Alarm: Die Bundesregierung versucht, ein Gesetzespaket zur Beschleunigung von Bau- und Umweltschutzvorhaben im Schweinsgalopp durch die Gremien zu peitschen. Für Seitz „Umweltpolitik auf dem Stand des Reichsnaturschutzgesetzes von 1935.“ Bundesumweltminister Klaus Töpfer und seine Kollegin Irmgard Schwaetzer haben ein „Investitions-Erleichterungsgesetz“und ein „Wohnbaulandgesetz“ vorgelegt, das Genehmigungsverfahren verkürzen soll — auf Kosten der Umwelt und der Demokratie, meinen Fücks und Seitz.
Nach den Bonner Plänen würden sowohl die Länderministerien, als auch die Verbände in vielen Genehmigungsfragen entmachtet. Würde bespielsweise ein Investor eine Müllverbrennungsanlage bauen wollen, müßte er sich nur noch an Bonn wenden. Das Planfeststellungsverfahren fiele weg, und damit auch Erörterungstermine und Enspruchsmöglichkeiten für die Umweltverbände und Bürgerinitiativen. Und die Umweltministerien der Länder könnten keine eigenen Kriterien für die Genehmigung mehr aufstellen und durchsetzen. An die Bonner Planung könnte Umweltsenator Fücks nur noch den Haken machen und BUND-Geschäftsführer Seitz könnte dabei auch nur zusehen — oder klagen. Wo früher das „Einvernehmen“ mit den Landes- und Kommunalbehörden und den Verbänden vorgeschrieben war, steht jetzt im Gesetz nur noch das „Benehmen“.
Nach der Deregulierung wäre die Klage der letzte Ausweg für die Verbände — oder der massive Protest auf der Straße. Seitz: „Wir befürchten, daß es wie früher zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um Großprojekte kommen könnte.“ Und Fücks: „Das ist staatlicher Planungszentralismus wie in der alten DDR.“ Eine ähnliche Situation ergibt sich nach der Verabschiedung des „Wohnbaulandgesetzes“: Danach müssen Investoren, die eine ökologisch wertvolle Fläche bebauen, nun nicht mehr die sonst obligatorischen Ausgleichsmaßnahmen finanzieren.
Innerhalb von drei Wochen sollen die Gesetze durch die Gremien gegangen sein, Fücks: „Das kann man nur putschistisch nennen.“ Am Freitag gehen beide Gesetze in den Bundesrat. Am Dienstag hat der Senat mehrere Änderungsanträge formuliert, die er jetzt einbringen will. Sollten die abgelehnt werden, sollen die Bremer VertreterInnen im Bundesrat auf keinen Fall zustimmen. Notfalls würden die Grünen im Senat die Zustimmung zur Koalitionsfrage erklären, so Fücks: „Bei Dissens im Senat muß sich Bremen im Bundesrat enthalten.“ Und da gilt eine Enthaltung so viel wie eine Ablehnung. J.G.
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