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Acht Monate für Schläge im Dienst

■ Polizeibeamter hat auf der Bahnhofswache zwei drogenabhängige Frauen zusammengeschlagen

Der Polizist Dieter B. blieb bis zum Schluß dabei: Er habe lediglich „geschubst“ und „halt die Schnauze“ geraunzt. Zugeschlagen habe er aber nicht. Sein Verteidiger Michael Würzburg forderte dann auch: „Mein Mandant muß freigesprochen werden“. Hier handle es sich um einen „ganz normalen Fall“, wenn man bedenke, was die Polizei zu verrichten hat. Für den Anwalt war das Verhalten seines Mandanten „noch angemessen.“ Die Verletzungen hätten sich die beiden drogenabhängigen Frauen vielleicht doch selbst zugeführt. Verteidiger Würzburg macht die Opfer verbal so kurzerhand zu Täterinnen und nennt die Beleidigungen, denen der Polizist ausgesetzt war: „Alter Wichser, Arschloch, schwule Sau.“

Richter Ulrich Hoffmann, zwei SchöffInnen, Staatsanwalt Braun, sowie die Rechtsanwälte der beiden Geschädigten und Nebenklägerinnen, Martin Stucke und Carl-Heinrich Schulze, kamen nach drei Tagen Beweisaufnahme zu einem ganz anderen Ergebnis: Dieter B., 48 Jahre alt und Polizeibeamter der Ostertorwache, habe sich der Körperverletzung im Amt schuldig gemacht. Das Gericht verurteilte ihn zu acht Monaten Freiheitsstrafe, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Außerdem muß Dieter B. die immensen Prozeßkosten und einem Opfer 1.300 Mark Schmerzensgeld zahlen. Noch ist Dieter B. im Dienst. Ein Disziplinarverfahren wird über seine berufliche Zukunft entscheiden. Für ihn, als Repräsentanten der Rechtsordnung, der täglich mit schwachen Menschen zu tun habe, hatte auch der Staatsanwalt eine präventive Strafe gefordert: als „Damoklesschwert.“

Der Polizist hatte mit seiner Kollegin Gerda D. die beiden Frauen aus der Bahnhofswache abholen und zum Polizeigewahrsam bringen sollen. Die unter dem Einfluß von Drogen und Pillen stehenden Frauen waren beim Ladendiebstahl im Bahnhof erwischt worden und randalierten in der Wache, als B. eintraf. Von den Frauen angemacht, schlug er zu. Prellungen an Gesicht, Hals und Körper wurden aktenkundig (vgl. taz v. 8.12.1992).

Doch in der kleinen Bahnhofswache hatte ein halbes Dutzend Bahnpolizisten genau wie B.s Kollegin Gerda D. „nichts gesehen“: Trotz bohrender Nachfragen stieß das Gericht auf eine Mauer des Schweigens, des Bagatellisierens und Nichterinnerns bis hin zum offensichtlichen Lügen. Nur ein Zeuge kippte um: Der Bahnpolizist P., der sich im Zeugenstand wand und vor der Vereidigung drücken wollte. Ihm gab Richter Hoffmann vor der Vereidigung Zeit und Chance, seine Aussage noch einmal zu überdenken. Und in dieser Phase versuchte ein Kollege, P. auf dem Gerichtsflur zu beeinflussen. Doch unter dem Druck der Vereidigung hat P. dann doch zwei Schläge ins Gesicht gesehen, und daß die Geschlagene zusammensank.

Vor Gericht wurde auch erzählt, daß Bahnpolizisten in Bremerhaven angesprochen wurden: „Was ist bei euch in Bremen los? Da haut einer einen Polizisten in die Pfanne.“ Diese falsche Kollegialität, die Falschaussagen, der offensichtliche Meineid von Gerda D. — all dies ist nach Ansicht des Gerichts für den Ruf der Polizei schädlicher, als das, „worüber wir zu Gericht gesessen haben.“ Birgitt Rambalski

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