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Somnamboulevard – Vive la Winterschlaf! Von Micky Remann

Marion stürzt in den „Luziden Bären“ und ordert einen doppelten Averna auf Eis. „Stell Dir vor“, berichtet sie atemlos, „eben mußte ich wieder vor einem Werwolf flüchten: Es war ein ehemaliger Freund, der sich in das Monster verwandelt hatte und sofort hinter mir her war. Ich verkroch mich in einem Putzschrank, in der Hoffnung, die scharfen Scheuermittel würden seine Nase irritieren, doch der Werwolf spürte mich trotzdem auf, knurrte markerschütternd, ich ahnte schon seinen Mundgeruch, es gab keinen Ausweg, und ich dachte kapitulierend: Wenn er zubeißt, wirst du schon nichts mehr spüren. So wachte ich in Panik auf, aber nur im Traum, wenn auch schweißgebadet, und erinnerte mich, daß man sich einen Werwolf nur mit einer silbernen Kugel vom Hals halten kann. Dazu forderte mich eine Stimme auf: ,Träum weiter, träum weiter!‘ Mißtrauisch fragte ich: ,Wer sagt das?‘ Worauf die Stimme im Traum antwortete: ,Deine zukünftige Stärke!‘ Na gut, dachte ich, aber diesmal nicht ohne meine Silberbüchse. Mit dieser im Anschlag entschloß ich mich, wieder einzuschlafen und in der unteren Etage des Somnamboulevards die Fortsetzung klarzuträumen. Ich kauerte mich mit meinem Traumkörper wie gehabt zwischen die Ajax- und Imipötte und ließ den Werwolf an der Schranktür geifern und heulen. Da nahm ich mir ein Herz, riß die Tür auf und schoß die magische Silberkugel ab. Päng! Ungläubig jaulend brach der Wolf zusammen. Er verwandelte sich in diesen Menschen zurück, der winkte mir erlöst zu und flatterte als luzider Goldrauschengel ab ins Licht.“ „Donnerwetter!“ sage ich in meinem Traum, aber Marion ist längst noch nicht fertig.

„Kaum war ich da durch“, fährt sie fort, „sollte ich ein paar Leute auf ihren ersten Fallmschirmsprung vorbereiten. Dummerweise standen uns keine Flugzeuge zur Verfügung, und wir mußten über schwindelerregende Dächer und Simse klettern, um Höhe zu gewinnen. Ich bin schon dreizehnmal gesprungen, aber so 'ne Angst hatte ich noch nie. Ich raffte mich zu einem schier unendlichen Mut auf, aber dann folgte ein seliger Sprung im Traum, ein Schweben und Segeln in andere Gefilde. Unten angekommen, saßen wir in einem magischen Zirkel zusammen. Echte Bienenwachskerzen flackerten in einem Traumgewölbe mit Trommelgeräuschen, und ich hatte eine Tigermaske vorm Gesicht. Dazu mußte ich immerzu sagen: ,Oh Tandoori, Meisterin der Tigerkraft, oh, komm zu mir, große Tandoori!‘ Und wirklich spürte ich, wie eine enorme Power in meine Traumzellen sank und dort kribbelnd mit mir verschmolz. So energisch habe ich mich im ganzen Leben nicht gefühlt!“ Jetzt fällt mir auf, daß die attraktiven Streifen, die ich für Marions Hemdmuster gehalten hatte, in Wahrheit ihrem Fell zugehören. Andererseits, wenn ich an mir selbst herunterschaue, merke ich, daß ich träume, ich sei ein Bär. Ein Bär, der mit seiner Pranke die Tatze der Tandoori-Tigerin ergreift.

Ob sie das sehnliche Brummen im meiner Brust erhört und mit mir winterschlafen wird, weiß ich nicht, wohl aber, daß der Somnamboulevard für die nächsten Wochen diesbezüglich dichtmacht.

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