■ Zur Stigmatisierung der Reps durch den Verfassungsschutz: Am Anfang bedenke das Ende
Rechtsradikale aller Schattierungen hassen die Demokratie. Das haben sie mit den Stalinisten gemein. Erobern die Antidemokraten einmal die Macht, lassen sie sie nicht mehr los. Wer sich ihnen entgegenstellt, wird vernichtet. Soweit die Analogien. Entscheidend sind die Unterschiede. Der wichtigste: Stalinisten haben in Deutschland nach dem Zusammenbruch des poststalinistischen realsozialistischen Systems keine Chance mehr, weil die Linke in diesem Land von ihrem totalitären Wahn in ihrer übergroßen Mehrheit geheilt ist. Auf der rechten Seite der Gesellschaft sieht die Befindlichkeit dagegen ganz anders aus. Mindestens zehn Prozent der Bvölkerung im Westen Deutschlands sind nach den Untersuchungen der Meinungsforscher „für rechtsradikale Thesen anfällig“. Die latente Ausländerfeindlichkeit reicht noch weit darüber hinaus.
In politisch ruhigen Zeiten mangelt es den meisten der rechtsradikal gestrickten Menschen am Bekennermut. Das ändert sich, sobald die rechtsradikale Minderheit eine Mehrheit hinter sich wähnt. Vor allem in der Ausländerpolitik fühlen sich die Rechten stark. Ändert sich hier das öffentliche Klima, schlägt die latente Aggression regelmäßig in offenen Terror um. Der ideologische Boden dafür wird von vielen bestellt – auch von den „Republikanern“. Im sauerländischen Plettenberg hetzen sie nach der Melodie des Deutschlandliedes so: „Deitschland, Deitschland, iber alles, iber alles in der Welt. Polen, Türken, Libanesen, alles lebt von unserem Geld“.
Wie soll man mit Leuten umgehen, die mit solchem Dreck menschenfeindliche Stimmungen schüren? Aufklärung allein reicht dagegen in Deutschland nicht. Tatsächlich sind relevante Teile der Bevölkerung – vielleicht zehn Prozent, vielleicht aber auch wesentlich mehr – mit Argumenten nicht mehr zu erreichen. Man kann sie nur ruhigstellen. Dazu gehört, daß man ihre rechtsradikalen Lautsprecher – und dazu zählen die Reps – isoliert. Ob die jetzt beschlossene Beobachtung durch den Verfassungsschutz dabei hilfreich sein kann, steht dahin. Vom Prinzip her spricht indessen nichts dagegen.
Sollte die damit beabsichtigte Stigmatisierung auch nur bei einem latent rechtsradikalen Menschen dazu führen, sich ihnen nicht anzuschließen und die Demokratie weiter nur im stillen Kämmerlein statt auf der Straße zu bekämpfen, hätte sich die Aktion schon gelohnt. Walter Jakobs
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