: Komm, is Tango
■ Riesen-Tango-Fest im Waldau-Theater: Live Musik aus Amsterdam, Tanzshow, Tanzgelegenheit für alle
hier Beine
Sind Bremer Männer besonders wild auf's Frauen-Führen? Begehren Bremerinnen nichts leidenschaftlicher, als einem leichten Händedruck geschmeidig nachzugeben? Warum ist ausgerechnet Bremen im nieseligen Norden die Tango-Stadt Deutschlands, wenn nicht Europas? Nirgendwo sonst kann man sechsmal pro Woche Tango Argentino tanzen gehen. Warum hier, so weit weg von den warmen Ländern?
Am Samstag ist Tango in Bremen: ein Riesen-Show- und Tanz-Fest im Ernst-Waldau- Theater, mit eingeflogenem Amsterdamer Sextett und den
hier Köpfe
Tango-KünstlerInnen Claudia und Gustavo aus Buenos Aires.
Da kommt nämlich der Tango her, da hat er bis heute wenig, nichts zu tun mit den Tango-Karikaturen in den europäischen
Salons, mit den zackigen, militärischen Stanzschritten, mit dem Rucken der Köpfe und Körper, die hier seit den 20er Jahren für Tango gehalten werden. In Argentinien tanzt man ihn weich, sinnlich, sexuell, oft eng aneinander geschmiegt.
Tango Argentino, das war im vorigen Jahrhundert der aufsässige, explosive Tanz des Volkes, der Unterklassen, der Tanz der Bordelle und der Vorstadt- Kneipen. Die Oberschicht in Buenos Aires akzeptierte den Tanz mit den anstößigen Schritten erst, nachdem sein Ruhm von Europa aus nach Argentinien zurückkam. Der Dichter sagt: „Tango schmeckt nach Leben und riecht nach Tod.“ Zum Tango gehört das Bandoneon, dieses komplizierte melancholische Instrument. Angeblich hinterließ ein betrunkener deutscher Matrose in einer Hafenkneipe in Buenos Aires sein Instrument als Zahlungsmittel und prägte damit die Tango-Kultur.
Amira Campora, ausgebildete Tänzerin aus Buenos Aires, arbeitet seit August in Bremen und zeigt am Samstag zusammen mit dem Tanzlehrer Michael Domke Tango Argentino. An die deutsche Art, tanzen zu wollen und zu lernen, mußte sie sich nach einem mittleren Kulturschock erst ziemlich gewöhnen. Diesen leidenschaftlichen Tanz in Workshops zu vermitteln, in fest eingeteilten 20-Stunden- Portionen, das war ihr zuerst sehr fremd. „Bei uns lernt man Tango in den Vierteln, in den Kneipen, in den Straßen. Wenn man Stunden nimmt, geht man hin, und wer da ist, zahlt“, sagt sie.
Zurück zur Ausgangsfrage, zum Frauen-Führen, zum Widerspruch. Amira ist ausgebildet im Ausdruckstanz, hat jahrelang Ballett unterrichtet und in einer der besten Tanz-Shows von Buenos Aires professionell Tango getanzt. Läßt sie sich gerne führen? „Dieser Widerspruch existiert nicht“, sagt sie entschieden und lächelt über diese unverständige Frage. „Tanzen, das ist nicht so (Hände gegeneinandergestemmt), das ist so (Hände ineinander verschränkt).“ In Deutschland, das versteht sie einfach nicht, tanzen alle allein. Männer führen nicht, Frauen las
hier Bauch
sen sich nicht führen. Dabei heißt tanzen doch, sich mit dem Körper verstehen. Michael Domke, Bremer Tango-Lehrer, sieht hier den heimlichen Reiz des Tango: „Viele Männer reizt es: zu führen, auf spielerische Art, sich einer Rolle auszusetzen. Der Mann muß ganz bei der Frau sein, wissen, wo sie ihr Gewicht hat, was sie tun wird. Sonst ist es ein Zerren und Ziehen, und die Partnerin sagt nach zwei Tänzen nein danke.“
Am Samstag kommt das Sexteto Canyengue aus Amsterdam (2x Bandoneon, Viola, Violine,
Kontrabass, Gesang), gibt ein Konzert und spielt Live-Musik zum Tanzen. Claudia und Gustavo aus Buenos Aires, Amira und Michael aus Bremen zeigen Tango-Show. S.P.
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