: Wie man bei der Post sein gelbes Wunder erleben kann Von Michaela Schießl
Und wir dachten, wir kennen sie, unsere Deutsche Bundespost: ein als Brief- und Telefondienst getarnter staatlicher Monopolklub, deren Mitglied nur wird, wer gleichermaßen unfähig, arbeitsunlustig und unfreundlich ist. Wir wollen nicht reden von der endlosen Ansteherei vor Schaltern, die nicht zuständig sind, von der außerordentlichen Ansprache, die man dort erhält, und von dem staatstragenden Gestus („Der Stempel bin ich“), der dort vorexerziert wird. Kein Wort verlieren wir darüber, daß die Post schon lange vor dem Fernsehen die Superzeitlupe entdeckte. Vielleicht nur ein winzig kleines Beispiel aus der Welt der Telekom: Angela H. aus L. orderte einen Mehrfach- Telefonanschluß für eine Mitfahrzentrale und erbat eine eingängige Nummer. War das mit dem Mehrfachanschluß schon nahezu unlösbar — drei Telekomexperten gaben fünf falsche Auskünfte — so stellte sich das Nummernproblem als unlösbar heraus. Nur die 71074 war zu haben. Was man schlicht für Pech halten konnte, bis Angela H. einen Tag später ihren neuen Privatanschluß erhielt. Die Nummer: 70020. Tauschen war natürlich völlig ausgeschlossen.
Die Behandlung hat System. Greifen Sie nur zum Telefonhörer, wählen Sie die Telefonauskunft an, schon hören Sie das Besetztzeichen. An einem Glückstag geraten Sie in eine Warteschleife: „Wir bedienen Sie, sobald ein Platz frei wird.“ Wer fünf Minuten ausharrt, ist selber schuld und wird aus der Leitung geworfen. So ist sie eben, unsere Post, so kennen wir sie, und so haben wir sie sogar ein bißchen lieb, dieses letzte Bollwerk gegen die Gesetze der Marktwirtschaft. Doch seit dieser Woche ist der Glaube an die Fehlbarkeit der Post ins Wanken geraten. Am Montag, dem 14.Dezember, spielte Gisela S. mit dem Gedanken, noch hurtig ein Weihnachtspaket für Süddeutschland aufzugeben. Ein wahrlich verwegenes Unternehmen, zehn Tage vor dem Fest. Der Paketdienst Berlin konnte ihre Zweifel wie erwartet nicht beseitigen, ebensowenig die Post-Pressestelle. Die jedoch schätzte die Chancen bei sofortigem Abschicken – ohne Garantie– relatv hoch ein. Warum Gisela S. es dennoch tat, was in ihr vorging, weiß niemand. Sie übergab ihr Paket der Post. Und erlebte ihr gelbes Wunder: Zwei Tage später erreichte die Sendung den Empfänger. Eine Welt gerät ins Wanken. Und die Post hüllt sich in Schweigen. Keiner will sagen, wie es dazu kommen konnte. Nachfragen, ob es sich um einen Sabotageakt handelt, werden mit verschwörerischem Grinsen beantwortet. „Auf uns ist eben Verlaß“, sagt der Paketpostler freundlich. Das hätte er früher nie gewagt. Irgend etwas ist verdächtig anders. Nervös rotten sich die verunsicherten Kunden im Paketamt zusammen. Bis einem einfällt: Der Postminister ist zurückgetreten! Keine Frage, das ist es. Seit Christian Schwarz-Schilling weg ist, läuft der Laden. Nicht gegen uns waren die jahrzehntelangen Repressalien gerichtet, nein, es war der stille Aufstand gegen den Chef! Uns wollten sie aufwiegeln per gelber Verelendungstaktik! Zutiefst anarchisch sind sie, unsere Freunde mit Horn und Hörer, mißverstanden als Faulpelze und Doofköpfe! Ach, Ihr Postler, verzeiht uns.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen