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„Vor Ort“ nicht mehr vor Ort

■ Tele5 knipst Hamburger Regionalmagazin das Licht aus

Hamburg (taz) – „Tschüß, das war's zum letzten Mal, auf Wiedersehen – irgendwann vielleicht, auf einem anderen Kanal...“ So werden in dieser Woche bei „Tele5 – Vor Ort“ fast alle Programmrubriken abmoderiert. „Außer dem Kanzler gab es keinen, den wir nicht im Studio hatten“, sagt Michael Anderson, letzter „Vor Ort“- Statthalter in Hamburg, nicht ohne Stolz. Der HSV-Torhüter Rudi Kargus kam genauso zu Besuch wie Hannelore Kohl, Thea Bock, Volker Rühe oder Janet Jackson.

Mittags um 12.35 Uhr war „Vor Ort“ als Sendung dieser Art in der deutschen Fernsehlandschaft konkurrenzlos. Dem eher seichten „Schlumpfsender“ aus München verhalfen die sogenannten Regionalfenster, obgleich eher lästig, weil kostenlastig, inhaltlich zu etwas intelligentem Glanz. Andererseits sind die „ungeliebten Kinder“ nach dem Rundfunkgesetz Vorschrift für Sendelizenz und Antennenfrequenz.

Dennoch erteilte die Chefredaktion an der Isar vergangenen Freitag die definitive Order zur letzten Klappe vor Ort. Sie fällt morgen, am 19.12. „Unverständlich“ finden das die MacherInnen, „natürlich kostet ein solches Programm Geld, aber es nützt auch sehr der Reputation des Senders. Jetzt wird es knallhart dem Profit geopfert.“ Hintergrund ist das Medien-Monopoly um den Sender, das in Mehrheitsbeteiligungen des Filmgrossisten Leo Kirch und des Springer-Verlages gipfelte. Kirch gehören unter anderem bereits „Pro7“, der „Kabelkanal“ und die Werbezeitenvermarktungs-Firma MGM; Springer gibt bei Sat.1 den Ton an. Die neuen Besitzer gedachten ab 1993 auf den Tele5- Frequenzen das „Deutsche Sportfernsehen“ (DSF) zu veranstalten– vorgeblich ein Vollprogramm für Sport und Freizeit, tatsächlich Verwertungsplatz für Zweitrechte aus dem Sat.1-Fundus und Reichweitenauffüller beim Werbezeiten-Verkauf im MGM- Verbund.

Ganz so wird's wohl nicht kommen. Zu einem „positiven Votum“ für eine Zulassung des Sportfernsehens sah sich die Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) auch auf ihrer Sitzung am Dienstag in Dresden nicht in der Lage. Der Kirch-Klüngel ist nach wie vor mit der Offenlegung „nicht nur der formalen, sondern der tatsächlichen und damit medienrechtlich relevanten Beteiligungsverhältnisse“ im Verzug. Und: „Sie können damit rechnen“, so der Vorsitzende der DLM, Haeckel, „daß die Lizenz von Tele5 widerrufen wird.“ Und zwar gleich nachdem im „Vor Ort“-Studio der letzte das Licht ausgemacht hat.

Denn eine mit dem „Vor Ort in Deutschland“-Trailer verzierte achtteilige Fremdproduktion über den Euro-Binnenmarkt, die ab Montag bis Jahresende bundesweit laufen soll, kaufen die Mediendirektoren Tele5 als „regionale Berichterstattung“ nicht ab. Statt dessen kommt nun ein Testbild. Ulla Küspert

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