: Kein Wintersport im Treibhaus
■ In den Alpen macht sich der Treibhauseffekt beim Wetter bemerkbar/ Schnee bleibt weg, und Gletscher schrumpfen
Berlin (taz/AP) – Wer Winter für Winter in die Alpen zum Skifahren fährt, sollte sich schon mal auf Kunstschnee einstellen. Wenn die Erwärmung der Erde so weitergeht, werden nicht nur die Alpengletscher schrumpfen, sondern früher oder später statt Schnee nur Regen vom Himmel fallen. Der Berner Klimaforscher Christian Pfister hat festgestellt, daß die Winter im südlichen Mitteleuropa in diesem Jahrhundert immer wärmer geworden sind, der Trend habe sich seit 1965 noch deutlich verstärkt. Die kalte Jahreszeit sei dort im Vergleich zu vorausgegangenen Jahrhunderten um 1,3 Grad zu warm und um 25% zu feucht gewesen. Für die drei schneearmen Winter von 1987 bis 90 gebe es keine historische Parallele.
Pfister stützt sich bei seinen Rechnungen und Aussagen auf eine historische Indizienkette. Klimahistoriker messen seit langem Eiskerne und Baumrinden. Sie stellen Grabungen an nach alten Pollen und suchen nach einschlägigen Berichten in Kirchenbüchern. In Bern sammelt Pfister für die European Science Foundation historische Klimadaten aus fast ganz Europa. In Archiven oder Stadtchroniken haben die Meteorologen zum Beispiel Hinweise auf Packeisblocks gefunden, die es trotz des warmen Golfstroms im Februar des Jahres 1664 bis in den Ärmelkanal schafften.
Ein jeden Winter zugefrorener Bodensee und das Packeis im Ärmelkanal waren noch die äußeren Zeichen der letzen „kleinen Eiszeit“, so der Bremer Klimatologe Klaus Herterich. Die habe vom späten Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gereicht. Seitdem sei es aber deutlich wärmer geworden, in den vergangenen Jahren sogar so stark, „daß eine zufällige Erwärmung recht unwahrscheinlich ist“.
Noch Zufall oder doch schon Konsequenz des Treibhauseffekts, das ist die Frage, die die Meteorologen umtreibt. Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie sieht immer mehr Indizien für den Treibhauseffekt. „Die Globaltemperatur hat in den letzten 100 Jahren um 0,6 bis 0,7 Grad zugenommen, der Meeresspiegel ist um 15 Zentimeter gestiegen, und die Gletscher sind in allen Breitenzonen deutlich zurückgegangen.“ Seit Beginn der Industrialisierung hat das Treibhausgas Kohlendioxid durch den menschlichen Energieverbrauch in der Atmosphäre um ein Viertel zugenommen. Wenn das so weitergeht, befürchtet Latif, wird es in den nächsten 100 Jahren noch drei Grad wärmer, mit katastrophalen Folgen. „Man darf nicht auf letzte Sicherheit warten, dann ist man verloren. Schließlich geht das, was wir heute an Erwärmung sehen, im Zweifel auf die Sünden vor 20 bis 30 Jahren zurück.“
In Bayern ist die Kunde vom künftig ausbleibenden Schnee noch nicht angekommen. Die bayerische Regierungspartei CSU blockiert in Bonn derzeit eine neue Wärmeschutzverordnung. Im Kabinett verhinderte die CSU, daß per Verordnung vorgeschrieben wird, daß neue Häuser künftig 30% weniger Heizenergie verbrauchen dürfen. Die CSU trug vor, die Einwände der heimischen Ziegelindustrie müßten noch überprüft werden. In Schweden, berechnete „Germanwatch“, eine Initiative, die sich nach dem Rio- Gipfel besonders um die deutsche Klimapolitik kümmert, dürfte schon heute nur halb soviel Heizöl pro Kopf verbraucht werden wie in der Bundesrepublik. ten
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