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Atommüllendlager Gorleben ist tot

Am Endlager in Gorleben darf ab 1993 nicht mehr weitergebuddelt werden/ Anwalt droht mit Strafanzeige gegen Betreiber und Behörden, falls weitergearbeitet wird  ■  Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Die Arbeiten am Atommüllendlager in Gorleben müssen zum Jahresende möglicherweise eingestellt werden. Die Wirksamkeit der Betriebspläne, mit denen das Bundesamt für Strahlenschutz an Deutschlands einzigem Endlagerprojekt für Atommüll baut, läuft dann nämlich aus. Weil die Bundesregierung aber ihr einziges Endlager und damit auf dem Papier die Entsorgungssicherheit der Atomindustrie bewahren will, versucht sie derzeit auf dem Verwaltungswege eine Duldung des Weiterbuddelns in Gorleben durchzusetzen. Das Bundesamt solle einfach nach dem 1. Januar 1993 weitermachen und das niedersächsische Umweltministerium die Buddelaktion gefälligst dulden.

Gestern wies Reiner Geulen, Anwalt von Gegnern des Atommüllagers, darauf hin, daß dieser weitere Baubetrieb an den Endlagerschächten illegal sei. Sollte in Gorleben nach dem Jahreswechsel weitergebuddelt werden, drohte Geulen mit Strafanzeige gegen den Betreiber. „Der Strafrahmen liegt bei einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe“, so Geulen. Der Anwalt hatte in einem Schreiben an die Umweltministerien in Bonn und in Hannover bereits auf die Konsequenzen ihres Handelns hingewiesen.

Geulen wies gestern außerdem darauf hin, daß sich nicht nur das Bundesamt für Strahlenschutz als Betreiber der Baustelle auf dem Gorlebener Gelände strafbar mache. Die Strafandrohung, so Geulen, bestehe „auch für Vertreter der duldenden Behörden“.

Das niedersächsische Umweltministerium will trotz der angedrohten Klagen nach dem 1. Januar 1993 zumindest einen Minimalbetrieb an den beiden Salzschächten in Gorleben zulassen. „Die Schächte sind Sachwerte, die geschützt werden müssen“, so Ministeriumssprecherin Barbara Mussack gestern. Wenn man sie jetzt nicht erhalte, müsse man möglicherweise nach einer neuen Genehmigung für das Bundesamt in Gorleben demnächst neue Erkundungsschächte für das Endlager im Salzstock graben.

Mussack bestätigte gleichzeitig, daß auch nach Auffassung des Ministeriums nach dem 1. Januar nur noch Notmaßnahmen an den Endlagerschächten getroffen werden dürften. Als Notmaßnahme gilt in Hannover das Weiterlaufenlassen der Gefriermaschinen, die Salz und Wasser vom Stürzen in die 300 Meter tiefen Schächte abhalten. Möglicherweise werde das Ministerium aber auch zulassen, daß ein Fundament in den Schächten eingesetzt wird.

Gorleben ist seit den siebziger Jahren der einzige Standort in der Bundesrepublik, der für seine Eignung als Atommüllendlager überprüft wird. Mit Hilfe des Bergrechts, daß keine Beteiligung der Öffentlichkeit vorsah, hatte die Bundesregierung in den vergangenen Jahren zwei Bohrschächte von je rund 300 Meter Tiefe durchgesetzt, mit denen der Salzstock in Gorleben genauer untersucht werden sollte. Bei den Bergarbeiten war 1986 ein Bergmann ums Leben gekommen. Die alte Betriebsgenehmigung für diese Bergarbeiten läuft am 31. Dezember 1992 aus, das Bundesamt für Strahlenschutz hatte eine Verlängerung beantragt, die vom zuständigen Oberbergamt in Clausthal jedoch abgelehnt worden war. Für eine neue Genehmigung bedarf es einer Umweltverträglichkeitsprüfung, die das Bundesamt bislang nicht eingeleitet hat. Daß eine solche Umweltverträglichekeitsprüfung zu einem positiven Ergebnis führe, sei denkbar unwahrscheinlich, so Geulen gestern. Deshalb werde er vor dem Verwaltungsgericht die sofortige Schließung der Baustelle beantragen.

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