: Aufruhr im Literaturhaus
■ Begrüßungswort des Pressesprechers Rosinski für Hanna Krall führte zum Eklat
IM WORTLAUT
Aufruhr im Literaturhaus Begrüßungswort des Pressesprechers
Rosinski für Hanna Krall führte zum Eklat
Eine kleine Detonation von sechzig Zeilen erschütterte am Montag abend das Literaturhaus. Elsbeth Wolffheim, Vorstandsmitglied des Hauses, hatte nach eigenen Angaben „gebebt vor Zorn“, die Literaturchefin der ZEIT Iris Radisch sagte im Anschluß an die Veranstaltung eine verabredete Moderation im Februar ab, und Verena Auffermann, Literaturkritikerin in linksliberalen Feuilletons, entschloß sich, das frevelhafte Haus fortan zu boykottieren. Ganzer Anlaß der Empörung war die kurze, hier dokumentierte Einführung des Pressesprechers des Hauses, Stefan Rosinski. Anläßlich der Lesung der polnischen Autorin Hanna Krall, die in ihrem Buch „Dem Herrgott zuvorkommen“ über den stellvertretenden Kommandanten des Warschauer Ghettoaufstandes, Marek Edelmann, schreibt, warnte Rosinski vor der Instrumentalisierung von Literaturveranstaltungen für politische Willensäußerungen, insbesondere, wenn damit sublime Vergleiche der aktuellen historischen Situation mit dem Dritten Reich entstehen. Nachdem Ursula Keller, die bei der Veranstaltung nicht anwesend war, von den Tumulten und anschließenden Reaktionen erfahren hatte, distanzierte sie sich, allerdings in Unkenntnis des Textes, von ihrem Mitarbeiter. Angeblich habe er keinerlei Mandat besessen, seine „total instinktlosen und unglaublich arroganten Äußerungen“ im Namen des Hauses zu machen. Vielmehr attestierte sie ihm, zum Abschluß seiner Tätigkeit am Haus, ein „profilneurotisches Pfauenrad“ habe schlagen zu wollen. Rosinski habe das Literaturhaus als „esoterisches Elfenbeintürmchen“ dargestellt und sei ihr damit „voll in den Rücken gefallen.“ Hier nun die brisante Begrüßung im Wortlaut.
Daß wir Hanna Krall eingeladen haben, ist kein Zeugnis der Betroffenheit durch die gegenwärtigen Heim-Suchungen alltäglicher Gewalt - sei es verbal oder tätlich - , die das animal rationale der Fessel seiner Vernunft so orgiastisch entheben. Vor dieser Folie ist unsere Einladung der reine Zufall.
Denn das Literaturhaus würde nicht da - wo es plötzlich als opportun gilt - politisch werden mit einem Male. Sondern uns geht es, nach wie vor, um Literatur. Dem Thalia-Theater fiel zu Mölln und Rostock Auschwitz und Peter Weiss ein. Mit solchem Notnagel wollen wir nicht den demokratischen Haussegen wieder gerade hängen. Denn wir erwarten uns von der „Schönen Literatur“, der fiktionalen Belletristik keine Handlungsmaximen. Kunst ist nicht - und war es nie - verpflichtet, zur Orientierung in einer nicht-künstlerischen Praxis beizutragen. Zugespitzt gesagt: wir brächten es fertig, wenn draußen der Straßenkampf tobte, hier an diesem Ort um Worte zu feilschen. - Denn dann, wenn man das nicht mehr könnte und dort, wo man das nicht mehr könnte, wäre dies kein Einwand gegen die Mangelhaftigkeit von Literatur, sondern nur einer gegen jene Gesellschaft, die das verunmöglichte.
Wir feilschen nicht um Worte, weil wir glauben, daß diese die Welt veränderten, noch daß sie utopischer Fluchtpunkt, Fluchtlinie wünschenswerten gesellschaftlichen Handels sei. Sondern wir ringen um eine Literaur, deren Ziel eine Sprache ist, die als Sprache selbst frei von Faschismus wäre. Kunst würde - im suspendierenden Spiel ihrer Kategorien - den latenten Totalitarismus des Gedankens bremsen.
Um es mit Hans-Thiess Lehmann und Genia Schulze zu sagen: „Existensbedingung und zugleich Chance moderner Kunst ist die prekäre Schwebe zwischen einer zerstörerischen, kritischen Negativität, die nichts ausläßt, und einer eigenen implizierten Positivität durch das scheinbar selbstgenügsame Spiel in dem und mit dem Negierten.“
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