: Die Lichterkette löst die Probleme nicht
■ Demokratische Kultur gegen Ruhe-Phantasien
Die Lichterkette löst
die Probleme nicht
Demokratische Kultur gegen Ruhe-Phantasien
Die Lichterkette löst das Problem nicht. Sie schützt keinen Asylbewerber vor einem Brandanschlag. Wird gesagt.
Stimmt.
Was ist das für eine deutsche Unart, daß angesichts des Wortes „Problem“ gleich das Spiegelwort „lösen“ genannt wird? Die allermeisten Probleme können nicht so einfach „gelöst“ werden. Insbesondere in einer Demokratie nicht mit den Mitteln der zivilen Gesellschaft.
Die Polizei kann nicht jeden Asylbewerber schützen — nicht einmal in einem Polizeistaat. Das Problem, daß deutsche Sozialhilfeempfänger mit Neid auf die Summen gucken, die als Sozialhilfe für Asylbewerber ausgegeben wrden, läst sich nicht „lösen“. Daß verunsicherte Menschen Angst vor fremdartigen Kulturen haben, läst sich nicht „lösen“. Solche Motive und Emotionen müssen sich in einer zilisierten Form artikulieren können — Phantasien von gesellschaftlicher Ruhe, der Traum von einer (zumindest am rechten Rand) konfliktfreien Gesellschaft sind der Stoff, aus dem Menschheitsbeglückungs-Diktaturen entstehen.
Eine zivile Auseinandersetzung mit den emotionalen Motiven und geistigen Wurzeln der Fremdenfeindlichkeit braucht Zeit, braucht Anlässe und Artikulationsformen. Deswegen entspringt die andere Kritik an der Bewegung der Lichterketten, sie kämen „zu spät“, demselben undemokratischen Denken: Sollte die gesellschaftliche Reaktion vor den Pogromen von Lichtenhagen und Brandanschlägen von Mölln stattfinden? Gesellschaftliche Konflikte laufen nicht nach rationalem Plan ab, sondern haben ganz eigenwillige Zeit-Dimensionen.
Die Bewegung der Lichterketten ist auch eine Antwort auf die Resonanz, die die rechtsradikale Fremdenfeindlichkeit im Ausland gehabt hat. Diesen Eindruck wollen viele auf ihrer Stadt nicht sitzen lassen, weil sie sie anders erleben und anders haben wollen. Wenn sie gesellschaftlichen Konsens stärken, helfen Lichterketten langfristig mehr als Polizeistrategien, weil sie jene überflüssig machen. Wenn es einen Ausweis für demokratische Kultur gibt, dann diese Formen der Reaktion auf ein Problem, das leider niemand „lösen“ kann. Klaus Wolschner
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