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Kicken für Paco Casal

Den uruguayischen Fußball drücken größere Sorgen als das Freundschaftsspiel gegen die BRD  ■ Von Gunnar Mittermaier

Berlin (taz) – Wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft morgen in Montevideo auf Uruguay trifft, wird man in den Reihen der Südamerikaner die Namen der großen Stars wie Ruben Sosa, Pato Aguilera oder Carlos Fonseca schmerzlich vermissen. Anders als die Brasilianer, die im Prestigeduell gegen Deutschland nicht auf ihre in Europa spielenden Stars verzichteten, bleibt man im Land des Weltmeisters von 1930 und 1950 hart: wie in allen Spielen nach der WM in Italien finden auch dieses Mal die Europalegionäre im Kader keine Berücksichtigung. Trainer Luis Cubilla ist sogar gewillt, die gesamte Qualifikation für die WM mit der zweiten Garnitur zu bestreiten. Rückendeckung erfährt er hierbei vom uruguayischen Fußballverband, dem vor allem die Machenschaften eines Mannes ein Dorn im Auge sind: Paco Casal, windiger Geschäftsmann, Sponsor und Monopolist in Sachen Spielervermittlung.

Über 200 uruguayische Fußballprofis verdienen Ihr Geld im Ausland und für jene, die Ihr Glück in Europa suchen wollen, führt kein Weg an Casal vorbei. Er, der vor allem zu den italienischen und spanischen Klubs über hervorragende Beziehungen verfügt, entscheidet, wer wohin zu welchen Konditionen verkauft wird.

Bei der WM in Italien, wo Uruguay dank hervorragender Vorbereitungsspiele in Fachkreisen als einer der Mitfavoriten gehandelt wurde, bekam Trainer Oscar Washington Tabárez die Macht von Casal bitter zu spüren: nach dem 0:0 im ersten Gruppenspiel gegen Spanien, in dem die Uruguayer hoch überlegen waren und Ruben Sosa kurz vor Spielschluß einen Elfmeter in die Wolken jagte, wollte der genervte Tabárez nach dem Spiel Paco Casal aus der Kabine werfen. Das hätte er besser nicht tun sollen, denn damit war die Harmonie im Team dahin, die Stürmerstar Sosa im Vorfeld noch so gelobt hatte. Die Mannen um Francéscoli, Sosa und Aguilera meuterten offen gegen Ihren Trainer und scherten sich fortan einen Kehricht um dessen taktische Anweisungen. Uruguay würgte sich zwar noch ins Achtelfinale, stand dort gegen Italien aber auf verlorenem Posten.

Kübelweise Spott und Häme schüttete die uruguayische Presse über die zurückkehrende Mannschaft. Besserung wurde allseits gelobt, der intellektuelle Tabárez gefeuert und mit Luis Cubilla ein Mann aus dem Volk als neuer Trainer verpflichtet. Dieser meint wahrscheinlich zu Recht, daß das schier unerschöpfliche Reservoir an Nachwuchsspielern im kleinsten südamerikanischen Land ausreicht, um die Qualifikationsspiele für die WM 1994 zu bestehen. Den Schatten von Herrn Casal kann er aber auch nicht loswerden. Jüngstes Beispiel ist der vor kurzem zu Ende gegangene Streik der uruguayischen Lizenzfußballer. Als es im September im Anschluß der Zweitligabegegnung zwischen Basánez Montevideo und Villa Teresa zu blutigen Auseinandersetzungen zwischen Fangruppen und der Polizei kam, wollte der uruguayische Fußballverband hart durchgreifen und bestrafte beide Teams mit einem 6-Punkte-Abzug. Basánez, als Tabellenführer mit guten Aufstiegschancen, wird jedoch von Paco Casal gesponsert, und der kommentierte die Entscheidung unverblümt mit den Worten: „Wenn die AUF die Entscheidung nicht zurücknimmt, werde ich dafür sorgen, daß in Uruguay kein Fußball mehr gespielt wird.“ Von ihm angestachelt, beschloß die Linzenzspielervereinigung am 8.10. dieses Jahres mit großer Mehrheit, in einen unbefristeten Streik zu treten, und in Uruguay wurde sieben Wochen lang tatsächlich kein Profifußball gespielt. Freilich wurde der Streikbeschluß der Spieler nicht in geheimer Wahl gefaßt, und viele Spieler gaben auch unverblümt zu, aus Opportunismus für den Streik gestimmt zu haben: mit Casal wollte es sich niemand verscherzen.

Hinter den Kulissen wurde schließlich ein Kompromiß gefunden, der niemandem so richtig weh tat. Die Strafe für die beiden Mannschaften wurde auf drei Punkte Abzug halbiert, Casals Klub behält so seine Aufstiegschancen und der uruguayische Fußballverband kann stolz behaupten, der aufkommenden Gewalt in den Stadien rechtzeitig entgegengewirkt zu haben.

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