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Kabinett beerdigt den Paragraphen 175

■ Abschaffung des Schwulenparagraphen: Einheitliche Regelung bei Mädchen und Jungen: Bei Zwangslage sind sexuelle Handlungen strafbar/ Sextouristen sollen zur Rechenschaft gezogen werden

Das Kabinett hat am Mittwoch abend einen Gesetzentwurf des Justizministeriums zur Streichung des Strafrechtsparagraphen 175 gebilligt. Der Paragraph, der homosexuelle Handlungen an Minderjährigen unter Strafe stellt, soll durch eine einheitliche Jugendschutzvorschrift ersetzt werden. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte, der neue §182 solle Jugendliche unter 16 Jahren unabhängig vom Geschlecht des Opfers oder Täters gegen sexuellen Mißbrauch schützen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, daß sexuelle Handlungen zwischen einer Person über 18 Jahren mit einer Person unter 16 strafbar sind, wenn sie eine Zwangslage ausnutzt oder ein Entgelt oder einen vergleichbaren Vorteil verspricht oder gewährt. Der Gesetzentwurf, der nun in den Bundestag eingebracht wird, sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor.

„Ebenso wird eine Person über 21 bestraft, die eine Person unter 16 Jahren mißbraucht, in dem sie diese unter Ausnutzung ihrer sexuellen Unreife dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an ihr vorzunehmen oder an sich vornehmen zu lassen.“ Letzteres wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, die Strafverfolgungsbehörde halten ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.

Die Abschaffung des Schwulen- Paragraphen 175 war bereits im Dezember 1990 in den Koalitionsverhandlungen zwischen FDP und CDU/CSU beschlossen worden. Eine Neuregelung wurde schon wegen der unterschiedlichen Gesetze in Ost- und Westdeutschland notwendig. Ein erster Entwurf, der im Dezember 1991 vorgelegt wurde, war bei einer Anhörung von Expertinnen im März diesen Jahres heftig kritisiert worden. Bemängelt wurde damals vor allem der schwammige Begriff „sexuelle Unreife“. In dem nun vorgelegten Gesetzentwurf werden zwar Vorschläge der Länder aufgegriffen, zugleich wird aber an dem kritisierten Begriff „sexuelle Unreife" festgehalten. In einer ersten Stellungnahme erklärte Wolfgang Setz vom Bundesverband Homosexualität (BVH), die Bundesregierung habe offensichtlich aus der Anhörung nichts gelernt und sei bereit, die Unwägbarkeiten einer solchen Regelung in Kauf zu nehmen. Der Gesetzentwurf lasse eine Anwendung im Sinne des alten § 175 erwarten.

Der Gesetzentwurf soll des weiteren ermöglichen, deutsche Sextouristen für den sexuellen Mißbrauch von Kindern im Ausland zur Rechenschaft zu ziehen. Bisher waren sexuelle Handlungen mit Kindern unter 14 Jahren im Ausland nur dann strafbar, wenn es in dem betreffenden Land entsprechende Gesetze gab. win

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