: Rabin gerät zunehmend unter Druck
■ Deportierte Palästinenser weiterhin im Niemandsland/ UN-Sicherheitsrat verurteilt Israel/ Sechs Palästinenser bei einer Demonstration im Gaza-Streifen von israelischen Soldaten getötet
Jerusalem/New York (AFP) – Nach der Deportation von 415 Palästinensern ist die israelische Regierung am Wochenende unter schweren Druck geraten. Der UN- Sicherheitsrat verurteilte die Ausweisung am Samstag einstimmig und forderte die Regierung in Jerusalem auf, die „sofortige und sichere“ Rückkehr der Palästinenser zu ermöglichen. Der Oberste Gerichtshof Israels tagte am Sonntag, nachdem er von mehreren Seiten erneut angerufen worden war. Nach bisheriger Rechtsprechung sind Ausweisungen nur dann zulässig, wenn es ein aufnahmebereites Land gibt. Die Regierung in Beirut weigert sich jedoch, die Palästinenser aufzunehmen. Die Deportation führte unterdessen zu einer Annäherung zwischen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) und der fundamentalistischen Organisation Hamas, die seit dem Beginn des Palästinenseraufstands Intifada verfeindet sind. Am Sonntag riefen sie erstmals gemeinsam zu einer Verschärfung des Heiligen Krieges gegen die israelische Besatzung auf. Ihre Aktivisten sollten ihre Aktionen aufeinander abstimmen, „um das Land in Brand zu setzen“.
Ministerpräsident Jitzhak Rabin verteidigte am Sonntag seine Entscheidung, räumte aber ein, daß das „Ergebnis weniger positiv ist, als wird dachten“. Im Zusammenhang mit mehreren Demonstrationen wurden am Samstag in dem von Israel besetzten Gaza-Streifen sechs PalästinenserInnen, darunter ein zehnjähriges Mädchen, von israelischen Soldaten erschossen. Bereits am Abend zuvor war ein Palästinenser erschossen worden.
Der Sicherheitsrat forderte UN-Generalsekretär Butros Ghali auf, einen Gesandten nach Israel zu schicken, um die „schwierige Lage“ mit der israelischen Regierung zu besprechen. Der israelische UN-Botschafter Gad Jaacobi wertete es als Erfolg, daß der Sicherheitsrat sich nicht eindeutig für die Entsendung einer Delegation ausgesprochen hatte, die die Umsetzung der Resolution 799 überwachen soll. In der Resolution 799 des Sicherheitsrates wird daran erinnert, daß die Ausweisung von Zivilisten der 4. Genfer Konvention widerspreche. Rabin sagte der Tageszeitung Jediot Aharonot, selbst in Anbetracht der Art und Weise, in der sich die Angelegenheit entwickelt habe, hätte er keine andere Entscheidung getroffen. Letztlich sei die Sache auch nur deshalb schiefgegangen, weil eine Bürgerrechtsorganisation die Gerichte angerufen habe. Sonst hätte die libanesische Regierung gar keine Zeit gehabt, auf die Abschiebungen zu reagieren. Die israelische Presse reagierte am Sonntag mit Kritik an der Regierung auf die Entschließung des UN-Sicherheitsrats. „Wir stehen nicht mehr als Opfer des Terrorismus da, sondern als ein Land von Barbaren“ (Ha'aretz).
Das Oberste Gericht Israels nahm am Sonntag seine Beratungen über die Rechtmäßigkeit der Deportation wieder auf, nachdem zwei israelische Anwälte erneut Einspruch eingelegt hatten. Der Einspruch wurde damit begründet, daß das Leben der verbannten Palästinenser in Gefahr sei. Gestützt wurde die Klage auf ein Gerichtsurteil von 1971, nach dem Personen nur in Länder ausgewiesen werden dürfen, die sich zu ihrer Aufnahme bereit erklärt haben. Am Sonntag mußten Regierungsvertreter aussagen.
Zu den Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und Demonstranten in der Ortschaft Chan Junis war es am Samstag gekommen, als für die Frauen des Orts eine Ausgangssperre zeitweilig aufgehoben wurde. Trotzdem seien zahlreiche Männer auf der Straße erschienen, um gegen die Deportation zu protestieren, berichteten Augenzeugen. Die Soldaten hätten das Feuer eröffnet, nachdem sie mit Steinen beworfen worden waren. Seit Beginn der Intifada sind 976 Palästinenser getötet worden. Seite 3
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