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Verlorene Worte

■ Wunderbares Kindertheater im Schlachthof

Im Traum sehen wir die Welt mit anderen Augen. Da werden wir leicht und können fliegen. Und plötzlich reden die Dinge. Karin Schroeder und Andreas Goehrt vom Theater „Metronom“ wissen das. Auch vom Zaubern verstehen sie etwas. Und von einer Kinderwelt, in der Worte noch magische Bedeutung haben.

Mit ihrem Kinderstück „Der König der verlorenen Worte“ schlugen sie gestern im Schlachthof ihr Publikum in Bann.

Die Geschichte beginnt fast wie ein Märchen. An einer unscheinbaren, grauen Straßenecke treffen sich Marlena und Bodo. Blumen-Marlena, die freche, die sich mit den Menschen auskennt, hält Tulpen feil und gute Ratschläge. Bruno, der stumme Straßenfeger, verliebt sich in sie. Sein Herz beweist er auf eigene Art: Mit der Mark, die er sich von Marlena borgt, kauft er ihr alle Blumen ab — und verehrt sie ihr gleich zurück.

Bruno hat den Schlüssel zu einer anderen Welt gefunden: das Buch „Vom König der verlorenen Worte“. Kaum beginnen die beiden zu lesen, gelangen sie in ein Königreich, wo der König der Worte regiert. Alle Worte aus allen Sprachen in aller Welt kommen in seinen Palast. Der König kennt sie und liebt sie. Bis die Nachrichten aus der richtigen Welt das Reich in Unordnung bringen.

Denn in der richtigen Welt ist die Bedeutung der Worte aus den Fugen geraten. Wenn ein Fluß nicht mehr blau und voller Fische ist, sondern eine braune, trübe Brühe, dann ist „blau“ nicht mehr blau und „Fluß“ nicht mehr Fluß. Wenn ihre „Exzellenz Grammatika“ schon davon Kopfschmerzen bekommt, daß Worte wie Satellitenkabelkanalstation gebildet werden, dann muß gehandelt werden! Also machen der König und Marlena sich auf in diese Welt.

Wie verzaubert saßen die Kinder noch nach dem Ende des Stücks auf ihren Plätzen. Schon lange war das Licht wieder an, da kehrten sie erst vollends in unsere richtige Welt zurück und spendeten einen unverhofften dritten Applaus. Eva Rhode

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