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Ins Gegenteil verkehrt

■ betr.: "Ich wollte erleben, wie jemand stirbt", taz vom 28.11.92

betr.: „Ich wollte erleben, wie jemand stirbt“, taz vom 28.11.92

[...] Leider haben Sie an verschiedenen Stellen die Aussagen von Frau Mattke und Frau Armenat in ihr genaues Gegenteil verkehrt.

So mußte Frau Armenat verwundert feststellen, daß ihr der Titel ihres Artikels in den Mund gelegt wurde. Abgesehen von der Tatsache, daß Frau Armenat nach eigenen Angaben niemals Ihnen gegenüber gesagt hat, sie wolle „erleben, wie jemand stirbt“, erwecken Sie leider den Eindruck, viele Betreuerinnen und Betreuer würden sich aus voyeuristischen Interessen in der Berliner Aids- Hilfe engagieren.

Das „Auswahlverfahren“, das Sie ebenfalls verzerrt darstellen, soll aber gerade dazu dienen, den HIV-positiven und aidskranken Menschen eine Betreuung anzubieten, die auf partnerschaftlicher Basis geführt wird.

Mit Ihrem Untertitel und diesem im Kontext zu Ihrem Artikel erwecken Sie überdies den Eindruck, die Berliner Aids-Hilfe würde nach strengsten Kriterien ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auswählen. Dies ist leider so nicht richtig.

Frau Mattke war bemüht, Ihnen aufzuzeigen, daß sich viele Menschen in Berlin mit dem Gedanken tragen, Aidskranke zu betreuen. Wie Ihre Kollegin, Marlies Wiedenhaupt, in ihrer Umfrage auf derselben Seite jedoch auch herausgefunden hat, finden sich bei genauer Überlegung nur wenige tatsächlich bereit. Unser „Auswahlverfahren“ dient so auch eher der Darstellung der Betreuungsarbeit der Berliner Aids-Hilfe, um den Interessenten selbst Entscheidungskriterien an die Hand zu geben. Viele Interessenten entscheiden sich in den Gesprächen mit bereits ehrenamtlich Mitarbeitenden dann gegen ein Engagement im Bereich Betreuung. Nur so ist die Tatsache, daß von 100 Interessenten „nur“ zehn zu „Aids-Helfern“ werden, wirklich zu verstehen.

Auch Frau Mattke wurde in Ihrem Artikel falsch zitiert. So ist die Nachfrage positiver und kranker Menschen nach einer Betreuung sicherlich nicht gedeckt. Viele Anfragen müssen wir aus Kapazitätsgründen, aber auch aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Die Berliner Aids-Hilfe ist auf hauptamtlicher Seite in ihrer Kapazität beschränkt. Zur Zeit wird die Arbeit von 87 Betreuerinnen und Betreuern von zwei hauptamtlichen Kollegen koordiniert. Diese sind für die „Auswahl“, die Schulung, Fortbildung und Vermittlung von Betreuerinnen und Betreuern zuständig. Aus diesem Grund hat Frau Mattke nach eigenen Angaben auch nicht behauptet, die Berliner Aids-Hilfe suche „verzweifelt“ Leute. [...] Karl Anton Gerber, Pressesprecher, Grit Mattke, Betreuungskoordinatorin, Berliner Aids- Hilfe e.V.

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