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Panić erkennt die Wahlen nicht an

■ Serbische Opposition fordert Annullierung/ KSZE-Beobachter bestätigen Wahlbetrug

Berlin (taz/AFP) – Der jugoslawische Ministerpräsident Milan Panić will wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten die Annullierung der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien beantragen. Auch andere Oppositionspolitiker wollen die Ergebnisse der Wahlen nicht anerkennen, so auch der Vizepräsident der Demokratischen Partei, Zoran Djindjić (siehe Interview Seite 3). Beobachter der KSZE bestätigten die Unregelmäßigkeiten. Nach ersten offiziellen Ergebnissen vom Montag nachmittag lag der Präsident Serbiens, Slobodan Milošević, deutlich vorn. Nach Auswertung von 5,5 Prozent der abgegebenen Stimmzettel kam der ehemalige KP-Chef auf 51,09 Prozent. Sein Herausforderer, Ministerpräsident Rest-Jugoslawiens Milan Panić, kam auf nur 38,91 Prozent.

Nach übereinstimmenden Angaben von unterschiedlicher Seite war es bei den Wahlen zu zahlreichen Unregelmäßigkeiten gekommen. Der Stab des Oppositionsbündnisses Depos teilte mit, er habe zahlreiche Beschwerden von serbischen Wählern erhalten, die aus den Listen gestrichen worden seien.

Die Demokratische Partei (DS), die sich dem Oppositionsbündnis nicht angeschlossen hatte, erklärte, unter anderem hätten serbische Flüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina reihenweise gewählt, obwohl sie keine Bürger der Föderativen Republik Jugoslawien (FRJ) sind.

Die Ablösung des Sozialisten Milošević durch den serbisch-amerikanischen Geschäftsmann Panić galt unter vielen politischen Beobachtern als „letzte Chance“ für eine Beendigung des Krieges im ehemaligen Jugoslawien. Der 51jährige frühere serbische KP-Chef Milošević wird als Hauptverantwortlicher für den Bürgerkrieg auf dem Balkan angesehen.

Ungewißheit herrschte bis zum Montag nachmittag allerdings noch darüber, ob Milošević bei der Endauszählung eine absolute Mehrheit von über 50 Prozent der Stimmen erreichen würde. Milošević und Panić müßten nach regulären Wahlen in einer Stichwahl gegeneinander antreten, falls keiner der beiden Rivalen im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erreicht. Wenn jedoch die Annullierung der Wahl durch die Opposition beantragt wird, würde die Stichwahl entfallen.

Bei den Wahlen zum serbischen Parlament lagen die Sozialisten und die Depos nach den ersten offiziellen Schätzungen mit je rund 30 Prozent gleichauf. Einen deutlichen Zuwachs konnten die Ultranationalisten der Radikalen Partei verzeichnen, die auf 20 Prozent kamen. In Montenegro, wo gleichfalls Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abgehalten wurden, lag nach den Schätzungen der Amtsinhaber, der Sozialist Momir Bulatovic knapp vor Branko Kostic, der von den Veteranen der Kriege in Kroatien und Bosnien als Kandidat aufgestellt worden war.

Auch bei den Parlamentswahlen zeichnete sich dort ein Sieg der Sozialisten ab. Die Beteiligung an den Wahlen lag in Serbien zwischen 50 und 65, in Montenegro bei 64 Prozent. Aufgerufen waren insgesamt rund 7,3 Millionen Wahlberechtigte. Die Albaner im Kosovo hatten die Wahlen boykottiert. Seite 3

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