: Psychosekte verklagt Kritiker
■ Der umstrittene Verein zur Förderung Psychologischer Menschenkenntnis führt an den Universitäten eine agressive Kampagne / Drohungen gegen Arbeitsgruppe
Berlin. Wo seine Mitglieder auftreten, gibt es Krach, Ärger und Gerichtsprozesse. Die Rede ist vom Verein zur Förderung Psychologischer Menschenkenntnis (VPM), der auf den Schweizer Psychologen Friedrich Liebling zurückgeht und laut Spiegel jetzt auch in Deutschland „bedrohlichen Einfluß“ gewinnt. Nach dem Urteil des Hamburger Landgerichtes darf der VPM als „rechte Psychosekte“ bezeichnet werden, sofern der Begriff nicht als Beleidigung zu verstehen ist, sondern sachlich begründet wird.
Auch in Berlin macht der Verein mit seinen aggressiven Kampagnen von sich reden. Seit einem halben Jahr versucht der „Arbeitskreis für Qualifiziertes Studium“, ein Ableger des VPM bzw. dessen Berliner Schwesterorganisation Gesellschaft zur Förderung der Psychologischen Menschenkenntnis (GFPM), an den Universitäten Einfluß zu gewinnen. Dabei wirbt die Vereinigung bisher noch weniger mit seinen ultrakonservativen Anti-Aids- und Drogenprogrammen, sondern mit Lerngruppen und Schriften gegen die geplanten Studienreformen. In den Lerngruppen, so berichten AStA-Mitglieder, würden StudentInnen auf ihre Konzentrationsstörungen aufmerksam gemacht, die angeblich durch eine Therapie beim VPM behoben werden könnten.
Inzwischen haben Mitglieder des AStA, der Fachschaft Medizin und der AG Sekten der FU unfreiwillig Bekanntschaft mit GFPM und VPM gemacht. Bevor sich jemand für sie interessierte, wollte die GFPM vorsorglich jede Kritik an ihren Aktivitäten unterbinden. In einem Brief an den Prodekan des FU-Fachbereichs Philosophie und Sozialwissenschaften drohte die Gruppe an, sich mit rechtlichen Mitteln gegen etwaige „rechtswidrige und schmutzige Angriffe“ von seiten des Projekttutoriums „Sekten“ zu schützen. UnterzeichnerInnen des Schriftstücks waren die Vizepräsidentin der Technischen Fachhochschule, A.B., und der Regierungsdirektor Wilhelm Spatz von der Ausländer- und Meldebehörde im Innensenat. Beide scheuten sich nicht, Kritiker des VPM der „Volksverhetzung“ zu beschuldigen.
Inzwischen hat die Vereinigung die Drohungen wahrgemacht: Der VPM klagt auf die Unterlassung jeglicher Diskussion über den Verein im Studentenparlament. Außerdem wird auf Veranlassung des VPM gegen Mitglieder der AG Sekten an der FU polizeilich ermittelt, die auf einem Faltblatt über den VPM aufklären wollten. In dem Text wird unter anderem behauptet, im VPM herrsche ein extremes Feindbild, und KritikerInnen würden mit juristischen und sonstigen Mitteln eingeschüchtert und bekämpft.
Die beklagten StudentInnen können den bevorstehenden Gerichtsverhandlungen trotzdem mit Gelassenheit entgegensehen. Zahlreiche Prozesse hat der VPM bisher verloren. So wurde vom Landgericht Rottweil eine Klage gegen einen Mitarbeiter der Evangelischen Zentrale für Weltanschauungsfragen zurückgewiesen, der behauptet hatte, der VPM sammle Tonbandmaterial über seine Mitglieder, und es gebe „gruppeninterne Säuberungs- und Disziplinierungsmechanismen“.
Auf mindestens 3.000 Mitglieder wird der VPM geschätzt, davon etwa 100 in Berlin. AkademikerInnen, besonders LehrerInnen und PsychologInnen, sind überrepräsentiert. Besorgt sind Mitglieder des AStA nicht zuletzt, weil acht StudentInnen, die sich öffentlich zum VPM bekennen, für die Wahlen an der FU im nächsten Jahr kandidieren. Schon jetzt sei eine Veränderung des Klimas an der Uni bemerkbar, weil VPM-SympathisantInnen bei verschiedenen Gelegenheiten bereits sehr rabiat aufgetreten seien, erklärte ein Sprecher. Anne-Kathrin Koppetsch
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