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Amtsgericht Frankfurt/Main erklärt Homoehe für zulässig

■ Bundesjustizministerin: „Mutige Entscheidung“ – aber nicht verfassungsgemäß

Berlin (taz/dpa) – Drei RichterInnen am Amtsgericht Frankfurt/Main haben erstmals in der Bundesrepublik Standesämter angewiesen, Eheschließungen zwischen homosexuellen Partnern zuzulassen. Ein Heiratsverbot für gleichgeschlechtliche Paare verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, die freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Grundrecht der Eheschließungsfreiheit, heißt es in der Urteilsbegründung einer Richterin vom 21. Dezember, die der taz vorliegt (Aktenzeichen 40 UR III E 166/92).

Mitte August hatten Hunderte schwule und lesbische Paare im Zuge der „Aktion Standesamt“ in mehreren Städten versucht, das Aufgebot zu bestellen. In einem der Frankfurter Fälle hatte der Standesbeamte die Ablehnung damit begründet, daß eine Ehe nur zwischen Mann und Frau geschlossen werden könne. In der Urteilsbegründung der Richterin heißt es jedoch: „Eine Definition dessen, was unter einer Ehe zu verstehen ist, findet sich weder im Grundgesetz noch im Bürgerlichen Gesetzbuch oder im Ehegesetz.“ Die traditionelle Auslegung des Begriffes „Ehe“ knüpfe an „vorgefundene, überkommene Lebensformen“ an und sei „nicht haltbar“. Diese traditionelle Auslegung verstoße zudem gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 des Grundgesetzes. Aus dem bisherigen Eheschließungsverbot entstehe den homosexuellen Betroffenen eine Vielzahl von nicht hinnehmbaren Nachteilen, beispielsweise im Unterhalts-, Erb- und Zeugnisverweigerungsrecht. Die „verfassungskonforme Auslegung des Ehe- und Personenstandgesetzes“ gebe den Beteiligten einen Anspruch auf das Aufgebot.

Das Rechtsamt der Stadt Frankfurt kündigte gestern Beschwerde gegen die Entscheidung an. Dagegen können die drei betroffenen Paare beim Landgericht klagen. Der Schwulenverband in Deutschland e.V. hat angekündigt, die Klagenden ggf. bis zum Verfassungsgericht zu unterstützen.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bezeichnete das Urteil als „mutige Entscheidung einer einzelnen Richterin“. Dennoch halte sie den Beschluß für nicht haltbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei eine Ehe die dauerhafte Lebensgemeinschaft zwischen Frau und Mann. Ein Sprecher des Bistums Mainz erklärte erwartungsgemäß, die Entscheidung widerspreche dem christlichen Verständnis von Ehe und Familie. Dorothee Winden

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