: Kräuselkrepp und Führungsqualität
■ Miss Germany-Wahl im Showpark: Frau Feldbusch aus Hamburg ist Königin!
hierhin die Frau mit Krone
Nebel. Fanfaren. Dunkelheit. Blitze zuckten. Der Tag des letzten Gerichts schien gekommen, aber dann trat ein elfengleiches Wesen an ein quietschendes Mikrophon und zirpte ihren Namen, ihr Alter und folgendes hinein: „Ja, und öh, ich treibe Sport, und mache zwei bis drei mal Sauna am Tag, ...öh, (kicher), in der Woche...mein' ich... ich bin so nervös, Entschuldigung“. Dies sagte die erste Kanidatin der Miss Germany-Wahl, Miss Berlin. Blaß und zittrig und einsam in ihrer ganzen Schönheit, auf dem Laufsteg. Miss-Germany 1993 wurde am Dienstag im üblichen Miss-Wahl-Verfahren gewählt.
Im Showpark glitzerten auch die Stars von gestern im Ruhme der Jugend von heute. So saß in der Jury allen voran Jürgen Drews (früher Les Humphrey Singers!) und Eddie Bacchinger (Kung Fu Fighting), daneben einige Ex-Missen und ausländische Missen sowie andere wichtige Persönlichkeiten. Zwanzig Mädels zwischen 16 und 24 waren aus allen Bundesländern angereist, um sich der Wahl für die Miss-Germany zu stellen.
Miss Ostdeutschland stellte sich vor: „Ich mache Fitness, um überschüssige Pfunde abzuhungern“. Aus dem spärlichen Publikum rief es begeistert: „Das ist ja super!“ Die Eintrittskarten kosteten bis zu 150 Mark, und so kurz vor Weihnachten blieben viele den Schönen fern. Etwa 300 Getreue und Verwandte taten ihr bestes, um eine angemessene Atmosphäre zu schaffen. Mancher Mann legte anerkennend den Kopf schief und schlug seinem Kumpel auf die Schulter: „Na, wie findeste die Beine, wa ey?“ Besagter Kumpel setzte die Brille auf und nickte.
Tontechnisch ging einiges bereits vor der klassischen Bademodenpräsentation ins Wasser. Der Hinweis, das Mikrophon senkrecht zu halten, half nicht. Das Rückkopplungs-Quietschen war schlichtweg entnervend. Die Bademoden bestanden aus ein und demselben Modell: Marke Kräuselkrepp in schwarz, apricot und rosa. Auf hochhackigen Schuhen, mit ihren Teilnahme-Nummern am Bein oder am Arm, staksten oder schritten sie zur Auswahl der besten zehn. Für einige Momente herrschte andachtsvolle Stille. Zu Miss Saarlands Auftritt, die Publikumsliebling war, brach Bierzeltgejohle aus, und selbst den 150-Mark-Anzugherren stand der Schweiß auf der Stirn.
Worauf achtet ein Jury-Mitglied? „Wichtig ist, wie sie sich bewegen, dann das Aussehen, zuerst das Gesicht“, wußte Miss Schweden, Marlin Thalin. Wie kommt man auf die Idee, sich einer Miss- Wahl zu stellen? „Ich habe aus Spaß in einer Disco mitgemacht. Miss Schweden: Aussehen wichtig!
Danach kommt man automatisch weiter zur Landeswahl“, meinte Miss Bayern. Sie schätzt, daß etwa 60 Prozent der Mädchen sich gezielt zu den Miss-Wahlen begeben.
Mit den letzten fünf Mädchen machte Christian Günther von Radio Bremen ein Interview. „Bei einem Atomkrieg könntest du drei Dinge in Sicherheit bringen...“ „Also, da würde ich als erstes meinen Freund in Sicherheit bringen.“ - „Glaubst du an die Führungsqualitäten einer Frau? „Jaa, nja, irgendwie schon.“ Höflicher Applaus - Kein Mensch erwartete, daß diese öffentlichen Körper schmissige Antworten ins Mikro geben.
Hinter der Bühne, zwischen den Bierkästen und Kleiderstangen, werden die Ausgeschiedenen getröstet und die ersten fünf aufgebeut für ihren letzten Gang in „Ilse-Modens“ aufgeplusterten Ballkleidern. Und dann — es ist mittlerweile 2 Uhr Nachts — entscheidet die Jury: Platz 3: Miss Hessen, Vicky Herrrmann, Platz 2: Miss Saarland, Katja Mordarski. Und die Königin: Miss Hamburg, Verona Feldbusch. „Bist du glücklich?“ -„Ja.“ Vivianne Agena
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