: Botschaft ohne Worte
■ Auch in den Hotels lagen Aufforderungen zur Teilnahme an der Lichterkette aus / Theatervorstellungen begannen später
Berlin. Am Abend des 25.Dezember meldete die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) unter dem Stichwort „Krawalle“ eine friedliche Nachricht, nämlich „Lichterkette gegen Fremdenhaß in Berlin“. Es war die 84.Nachricht des Tages, und Krawall gab es nirgendwo. AP muß ihr Berliner Kennwort für Massenveranstaltungen ändern. Nie gab es in der Stadt eine so große Manifestation mit so wenig Polizei. Und die Menschen verließen nicht ihre geheizten Wohnzimmer, um für die Weltöffentlichkeit das beschädigte Bild der Stadt zu korrigieren, sondern weil es ihnen ein Bedürfnis war, genau an Weihnachten gegen Haß und Rassismus zu protestieren. Weit mehr Menschen als erwartet folgten dem Aufruf Berliner Medien, öffentlich ein „Licht für die Vernunft“ aufgehen zu lassen. Fast unbeachtet blieb hingegen die beinahe zeitgleich initiierte Aktion, nämlich mit Lichtern in den Fenstern ein Signal für Toleranz und Humanität anzugeben. Am ersten Weihnachtsfeiertag läutete zu Beginn der Lichterkette die Freiheitsglocke auf dem Schöneberger Rathaus und kurz vor Ende des Weihnachtsleuchtens bimmelten viele Kirchenglocken der Stadt. Viele Pfarrer hatten in ihren Predigten auf die Lichteraktionen hingewiesen. In den Hotels der Innenstadt lagen für die Touristen Einladungen aus. Bei einigen für 18 Uhr geplanten Musik- oder Theatervorstellungen wurde der Beginn um eine halbe Stunde verschoben. Die U- und S-Bahnen waren auf Feiertagstakt eingestellt, die Züge fuhren aber mit maximaler Wagenlänge. Obwohl die Züge nach 18.30 Uhr proppenvoll waren, blieb die Stimmung gelöst. Vom Theodor- Heuss-Platz bis zum Lustgarten leuchteten die Kerzenburgen noch Stunden später. Selbst mitten in der Nacht zündeten Passanten immer wieder verloschene Lichter an. Am nächsten Morgen sammelten Kinder mit Plastiktüten die Stummel ein. aku
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