: Widerstand gegen Rabins Deportationspolitik
■ Zwei Drittel der Regierungsmitglieder für direkte Gespräche mit der PLO
Tel Aviv (taz) – Nach der Deportation von 415 Palästinensern wächst in Israel der Widerstand gegen die Politik der Regierung von Ministerpräsident Jitzhak Rabin. Am Samstag abend demonstrierten in Tel Aviv mehrere Gruppen aus dem liberalen und linksorientierten Friedenslager gegen die Ausweisung der Mitglieder der radikalen palästinensischen Hamas- Bewegung. Einige hundert DemonstrantInnen trugen Fackeln und Transparente mit der Forderung, die des Landes Vertriebenen unverzüglich wieder in die besetzten Gebiete heimkehren zu lassen und die israelisch-palästinensischen „Autonomie“-Verhandlungen von nun an direkt mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) zu führen. Eine lautstarke Gegendemonstration von AnhängerInnen des Likud-Blocks und Mitgliedern anderer Rechtsparteien versuchte vergeblich, die Friedensdemonstration zu übertönen und zu sprengen. Mit Hilfe eines großen Polizeiaufgebots wurden ernstere Zusammenstöße vermieden. Das Kontingent der Rechten forderte: „Deportiert alle (Araber)!“ und, in einer Anspielung auf das hebräische Wort für Energie, Meretz, zugleich Name des linksliberalen Blocks in der Koalition: „Wir verlangen einen vollen Transfer mit Energie!“
Bei der Schlußkundgebung der Protestdemonstration gegen Rabins Politik verurteilte „Peace Now“-Mitbegründer und Vorstandsmitglied Zali Reshef die Meretz-Minister und andere „Tauben“ in der Regierung, die allesamt für die „Deportationsschweinerei“ gestimmt und sie ermöglicht hatten. Als scharfer Kritiker des Deportationsbeschlusses trat auch Benni Temkin, Sekretär der liberalen Bürgerrechtsbewegung (Raz), die Teil des Meretz-Blocks ist, auf. Der arabisch-israelische Schriftsteller Emile Habibi erklärte, daß Friedensverhandlungen erst dann wieder aufgenommen werden könnten, wenn Israel die Rückkehr aller 415 Deportierten zu ihren Familien ermöglicht habe. Es sei unmöglich, über eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts zu verhandeln, wenn die israelische Regierung gleichzeitig eine Transfer-Politik einleite und die Anwesenheit des palästinensischen Volkes in seinem Land bedrohe.
Neue Empörung in den verschiedenen liberalen und linken Gruppen, auch bei vielen WählerInnen von Parteien, die Rabins Koalition angehören, hat der Regierungsbeschluß ausgelöst, der Hilfslieferungen des Roten Kreuzes an die Deportierten via Israel oder durch das von Israel besetzte Gebiet im Südlibanon untersagt. Gleichzeitig fordert die US-Regierung eine rasche Kompromißlösung des Deportiertenproblems.
Eine Umfrage des israelischen Rundfunks hat ergeben, daß 42 von 62 Koalitionsmitgliedern in der Knesset die von Rabin abgelehnten direkten Verhandlungen mit der PLO befürworten. Davon gehören 30 der Arbeitspartei an. Nur die 14 übrigen Mitglieder dieser Fraktion lehnen auch weiterhin Direkverhandlungen mit der PLO ab. Über diese für Rabin peinliche Frage wird jetzt eine Debatte im Zentralkomitee der Arbeitspartei gefordert. Voraussichtlich wird Rabin versuchen, dies zu verhindern, vor allem, wenn er die Mehrheit der Parteiführung nicht auf seine Seite ziehen kann.
Die kleinen Veränderungen, die Rabin heute in der Zusammensetzung und Rollenverteilung in seinem Kabinett vornimmt, sind lediglich der Anfang einer Reorganisation, die schließlich das Kräfteverhältnis in der Regierung zugunsten der politischen Konzeption des Ministerpräsidenten ändern soll. Rabin ist weiterhin entschlossen, seine Regierung durch Parteien der gegenwärtigen rechten Opposition (Nationalreligiöse und/oder Tsomet) zu erweitern. Amos Wollin
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