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Lager im Niemandsland eingeschneit

■ Bevölkerung versorgte deportierte Palästinenser heimlich mit Nahrung/ UNO-Bemühungen

Jerusalem (dpa/AFP/AP) – Die Lage der 415 deportierten Palästinenser wird immer verzweifelter. Das Zeltlager nördlich der von Israel besetzten Sicherheitszone schneite am Wochenende völlig ein. Nur ein Zelt, das als Krankenstation genutzt wird, kann richtig beheizt werden. Am Samstag wurden letzte Lebensmittel ausgegeben, die noch aus den Beständen der Hilfsorganisationen stammen, ehe diese ihre Lieferungen einstellen mußten. Gestern gelang es allerdings libanesischen Dorfbewohnern, auf Schleichwegen Essen und Brennstoff in das Lager zu bringen, wo sie mit Jubel begrüßt wurden. Libanesische Militärs erklärten sich außerstande, diese Versorgung zu unterbinden, da die Straßen verschneit seien.

Am Freitag waren neun erkrankte Palästinenser von libanesischen Sicherheitskräften in das Lager zurückgebracht worden, nachdem sie vorübergehend in einem Krankenhaus behandelt worden waren. Zwei von ihnen schweben nach Angaben eines Arztes aus dem Lager in Lebensgefahr. Ein anderer Arzt berichtete, die Patienten hätten aus dem Krankenhaus eineinhalb Liter Chlor herausschmuggeln können. Diese Menge reiche für längere Zeit aus, um das Wasser aus einem Bach neben dem Lager zu Trinkwasser aufzubereiten.

Unterdessen gehen die diplomatischen Bemühungen um eine Lösung der verfahrenen Situation weiter. So traf gestern der stellvertretende UNO-Generalsekretär James Jonah in Jerusalem mit Außenminister Schimon Peres zusammen. Die Regierung in Jerusalem hat deutlich gemacht, daß sie die Resolution 799 des Sicherheitsrates, mit der die Rückkehr der Palästinenser in die Westbank und den Gaza-Streifen verlangt wird, nicht zu erfüllen gedenkt. Außerdem verwehrt sie es dem Roten Kreuz, über israelisch kontrolliertes Gebiet zu dem Lager zu fahren, nachdem der Libanon direkte Hilfslieferungen untersagt hat. Israel beschuldigt die Ausgewiesenen, in wichtigen Funktionen die radikalen islamischen Organisationen Hamas und Dschihad zu unterstützen. Die israelische Zeitung Ha'aretz meldete unterdessen, sechs der Palästinenser seien „versehentlich“ und aufgrund einer Namensverwechslung (der Eile zu schulden) deportiert worden.

Über das Gespräch zwischen Peres und Jonah wurde offiziell nichts mitgeteilt. In diplomatischen Kreisen hieß es, es habe keinen Fortschritt gegeben. Die israelische Regierung wolle die heutigen Gespräche des UNO-Gesandten in Beirut abwarten.

Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) und Hamas verurteilten am Samstag in Tunis bei ihrem ersten gemeinsamen Treffen seit Beginn der Intifada einmütig die Deportation der Palästinenser. In der Frage der Fortsetzung der Nahost-Friedensgespräche seien die Positionen allerdings „sehr weit voneinander entfernt“, verlautete am Rande des Treffens. Alle Teilnehmer hätten sich jedoch darauf geeinigt, die UN-Resolution 799 zu unterstützen. Ein Aufnahmeersuchen von Hamas in die palästinensische Dachorganisation wurde von PLO-Chef Yassir Arafat jedoch abgelehnt. Hamas hatte angeboten, der PLO beizutreten, wenn diese die Nahost-Gespräche verlasse und zum bewaffneten Kampf zurückkehre. Seite 9

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