: „Keiner weiß, wer der neue Vermieter ist“
■ 45.000 Wohnungen sollen zum Jahreswechsel an Alteigentümer zurückgegeben werden/ Weil viele Besitzer noch nicht ermittelt sind, ist das Chaos vorprogrammiert
Häuser, die bisher unter staatlicher Verwaltung durch die Wohnungsbaugesellschaften (WBG) standen, werden zum 1.Januar an ihre Alteigentümer zurückgegeben. Gleichzeitig endet auch die Frist, bei den Vermögensämtern Rückübertragungsansprüche geltend zu machen. Übergeben werden jene Häuser, die zu DDR-Zeiten nicht in Volkseigentum übergegangen waren und für deren Rückübertragung somit nicht die Ämter zur Regelung offener Vermögenssteuerfragen, sondern die Gerichte zuständig sind. Laut Schätzung des Bausenats trifft das im Ostteil der Stadt auf etwa 45.000 Wohnungen zu – davon befinden sich mehr als ein Drittel im Bezirk Prenzlauer Berg.
Die von den Vermögensämtern bezeichnete Reprivatisierung wird zu erheblichen Problemen bei den betroffenen MieterInnen führen. So teilte die Wohnungsbaugesellschaft Mitte einem Mieter mit, daß er sich bei Zweifeln über den neuen Eigentümer an das zuständige Amtsgericht oder das Bundesamt für offene Vermögensfragen wenden solle. In einem anderen Schreiben der Gesellschaft heißt es in Bürokratendeutsch: „Es haben sich bei uns noch nicht alle Eigentümer gemeldet, so daß eine reibungslose Verwaltungsübergabe nicht gewährleistet ist. Sollte sich der Eigentümer auch bei Ihnen nicht vorstellen und legitimieren, und Sie deshalb nicht wissen, an wen die Miete zu überweisen ist, können Sie in diesem Ausnahmefall ihre Miete bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichtes Tiergarten hinterlegen.“ Ähnlich äußerte sich auch die Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain, die einen Mieter aufforderte, die Miete auf ein Konto des Amtsgerichts Mitte zu überweisen.
Für Frank Bertermann von der Berliner MieterGemeinschaft ist damit das Chaos vorprogrammiert: „Die Wohnungsbaugesellschaften verabschieden sich und keiner weiß, wer der Vermieter ist.“ Absolut unverständlich ist für ihn, warum diese Schreiben erst jetzt an die MieterInnen gegangen sind, schließlich wußten die Wohnungsbaugesellschaften lange vorher, welche Häuser zwangsverwaltet wurden. Das Versprechen von Bausenator Nagel vom 2.Dezember, nach dem „dieser Vorgang so sanft wie möglich zu gestalten“ sei, so Bertermann, sei nicht einzuhalten – der Senator habe die Lage einfach verkannt. Der Interessenvertreter fordert, daß bei ungeklärten Fällen die Wohnungsbaugesellschaften weiterhin die Häuser verwalten. Unterdessen gibt es ein Rundschreiben des Senats an die Wohnungsbaugesellschaften, laut dem die Gesellschaften von der Finanzverwaltung als gesetzliche Vertreter bestellt werden sollen, wenn die Eigentümer unbekannt sind. Hätten zwei oder mehrere Eigentümer das Eigentumsrecht angemeldet, obliege es dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen, den gesetzlichen Vertreter zu bestellen. Für alle anderen Fälle würden die Wohnungsbaugesellschaften eine Art Notbewirtschaftung übernehmen, erklärte der für die Gesellschaften zuständige Referatsleiter bei der Senatsbauverwaltung, Johannes Rosenkranz, gegenüber der taz. Bei der gesetzlichen Vertretung würden, so Rosenkranz, die Gesellschaften allerdings sicher keine umfangreichen Maßnahmen mehr durchführen, im Falle einer Notbewirtschaftung werde sogar nur die Verkehrssicherheit der Gebäude aufrechterhalten. Die Miete werde entgegen anderslautender Schreiben auch in diesen Fällen weiterhin von den Wohnungsbaugesellschaften eingezogen.
Die Berliner MieterGemeinschaft betont, daß die neuen Eigentümer alle Pflichten übernehmen müssen und die alten Mietverträge weiterhin gültig bleiben. Jeder Mieter sollte sich durch einen Grundbuchauszug die Rechtmäßigkeit des neuen Eigentümers oder der neuen Verwaltung bestätigen lassen. Uwe Rada
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