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Skandinavien in die EG lotsen

■ Dänemark übernimmt die EG-Präsidentschaft/ Neue Akzente beim Umweltschutz und bei der Arbeitsmarktpolitik

Kopenhagen (taz) – Mit der Übernahme der EG-Präsidentschaft durch Dänemark am 1.Januar wird in den kommmenden Monaten die Erweiterung der Gemeinschaft um Schweden, Finnland und Norwegen im Mittelpunkt stehen. Ein nicht ganz uneigennütziges Programm: Der dänische Ministerpräsident Poul Schlüter möchte im Vorfeld der zweiten Volksabstimmung zu Maastricht deutliche Fortschritte auf dem Weg zu einer EG mit Gesamt- Skandinavien als Mitglied präsentieren. Und in den beitrittswilligen Ländern soll der „Edinburgh-Effekt“ dazu beitragen, die mehrheitlich Anti-EG-Stimmung umzukehren: Dänemark als Beispiel, wie auch kleine Länder sich im mächtigen EG-Räderwerk durchsetzen und einen Sonderstatus für sich aushandeln können.

Der Edinburgh-Gipfel war nicht nur so etwas wie der vorweggenommene Einstand Dänemarks als Präsidialland, sondern vor allem auch das Ende eines halbjährigen EG-Tiefs, das mit dem Nein zu Maastricht am 2.Juni begonnen hatte. Damals schien es auch der Regierung Schlüter angemessen, auf die Würde der EG-Präsidentschaft lieber zu verzichten. Denn mit welchem Mandat sollte ausgerechnet das einzige EG-Mitglied, das nein zu Maastricht gesagt hatte, die Gemeinschaft in die Union führen?

Neue, aber vage Initiativen

Doch das erste Maastricht-Nein ist mittlerweise schon fast wieder in Vergessenheit geraten. Den Dänen wird eine zweite Abstimmungsrunde eingeräumt, um sich die Sache mit Maastricht noch einmal zu überlegen. Gleichzeitig darf das Präsidialland die passenden Akzente setzen. Beispielsweise im Umweltrecht: Die Befürchtung, die dänische Gesetzgebung werde auf EG-Niveau zusammengestrichen, war eines der Motive für das Nein. Daher möchte die Regierung in Kopenhagen jetzt gerade beim Thema Umwelt Initiative zeigen, um bei der nächsten Volksabstimmung im April oder Mai solch gefährlichen Verdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen. Noch wird an den einzelnen Themen gearbeitet. Aber einer der Bereiche, bei dem Dänemark Flagge zeigen will, ist das Ozonloch.

Außerdem will Schlüter auch beim Thema Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik wegweisend sein: „17 Millionen Arbeitslose in den EG-Ländern zeigen die Notwendigkeit, während unserer Präsidentschaftsperiode eine echte Wachstumspolitik in Gang zu setzen.“ Wie das allerdings geschehen soll, liegt noch im dunkeln. Außer dem Appell an Deutschland, den Aufschwungsbremsklotz Hochzinspolitik zu lockern, hat Schlüter kein rechtes Rezept parat. Welche Wirkung solche Appelle Richtung Bonn und Frankfurt haben, konnte ihm sicher sein Vorgänger im Präsidialamt, John Major, erzählen.

Es werden also in erster Linie die EG-Beitrittsverhandlungen mit Schweden, Finnland und Österreich sein, denen die dänische Präsidentschaft ihr Augenmerk schenken wird. Die Verhandlungen sollen am 1.Februar beginnen, ein oder zwei Monate später wird auch Norwegen dazustoßen, das seinen Antrag erst im November eingereicht hat. Bis Ende Juni sollen die wesentlichen Pflöcke eingeschlagen sein, ehe am 1.Juli Belgien den EG-Vorsitz übernimmt – da stehen die Türen für ein Europa der Sechzehn nicht so vorbehaltlos offen wie in Kopenhagen.

Auch wenn unter der dänischen Präsidentschaft die Erweiterung konzentrierter und intensiver angegangen werden wird als unter der bisherigen und zukünftigen Präsidentschaft: mit weitgehenden Ausnahmeregelungen à la Dänemark dürfen die skandinavischen Länder und Österreich trotzdem oder gerade deshalb nicht rechnen. Schlüter hat sich Brüssel gegenüber verpflichtet: „Der dänische Sonderstatus steht anderen nicht offen. Für die gilt Maastricht ohne Wenn und Aber.“ Allenfalls über großzügige Übergangsregelungen könne verhandelt werden. Offen ist aber, ob diese offizielle Linie nicht wieder aufgeweicht wird, wenn nach einem möglichen dänischen Ja auch Großbritannien seinen Frieden mit Maastricht geschlossen hat. Denn schließlich will man Norwegen und Schweden auch in der Union haben, was angesichts der dort vorherrschenden Nein-Stimmung ähnliche Zugeständnisse notwendig machen dürfte, wie sie Kopenhagen erhalten hat. Zum jetzigen Zeitpunkt kann darüber noch nicht geredet werden, aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Auch ein vorbehaltloser EG-Befürworter wie Schlüter macht deutlich, daß ein nordisches Gegengewicht zu der zu südeuropalastigen EG überfällig ist: „So eine Europakarte ist nicht akzeptabel.“

Schlüters Stuhl wackelt

Zunächst einmal, am 6.Januar, begibt sich der dänische Außenminister auf die erste Reise der Präsidentschaftszeit – ins ehemalige Jugoslawien. Ob er und Schlüter dann noch weitere Reisen in dieser offiziellen Funktion wahrnehmen, hängt von innenpolitischen Petitessen ab: Am 12.Januar soll der Bericht eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses über die sogenannte „Tamil-Sache“ vorliegen, ein Skandal um einen regierungsamtlichen Gesetzesbruch gegen den Familiennachzug tamilischer Flüchtlinge, der – je nach Inhalt des Untersuchungsberichts – Schlüter möglicherweise nur den Rücktritt offenläßt. Das wäre dann die kürzeste EG-Präsidentschaft aller Zeiten – nicht für Dänemark, aber für Poul Schlüter und Uffe Ellemann-Jensen. Am Ende der dänischen Präsidentschaftsperiode könnte also ein ganz anderer, wahrscheinlich sozialdemokratischer, Ratspräsident stehen als zu Beginn. Wesentliche Akzentverschiebungen würde dies vermutlich nicht nach sich ziehen, da auch die parlamentarische Linke in Kopenhagen ihren Frieden mit Maastricht geschlossen hat. Reinhard Wolff

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