: "a Tribe called Quast": Michael H. - Plakatkleber
»A TRIBE CALLED QUAST«: MICHAEL H. - PLAKATKLEBER
Vergleiche hinken immer - mal mehr mal weniger. Aber Prostituierte und Plakatkleber in einen Topf zu werfen, das scheint dann doch zu viel des Guten zu sein. Schließlich vergleicht auch niemand Äpfel mit Birnen. Indes, der Eindruck täuscht in diesem Fall, gehen doch beide Berufsgruppen ihrer Tätigkeit in einer juristischen Grauzone nach. Ob horizontal oder vertikal hauptberuflich aktiv, Steuern müssen gezahlt werden, doch der rechtliche Status des jeweiligen Tuns bleibt dennoch ungeklärt.
„Wir werden von den Ordnungshütern nur geduldet“, weiß Michael H., einer der zahlreichen Hamburger Plakatkleber. „Auch wenn die Polizeibeamten nur selten gegen uns vorgehen, heißt das nicht, daß unser Treiben
1legal ist.“ Viele Ordnungshüter wissen jedoch selber nicht, was sie mit einem Plakatierer anfangen sollen, wenn sie diesen in flagranti ertappen. „Meist bleibt es bei einer freundlichen Ermahnung, richtigen Ärger gibt es fast nie.“
Was auch ein wenig verständlich ist, denn H. hält sich an den einstmals gefaßten Vorsatz, niemals als erster eine freie Fläche zu bekleben. „Ich defloriere keine Häuserwand, das wäre Sachbeschädigung.“ Über fremde Plakate hingegen die eigenen zu backen, sei, so H., rechtlich gesehen irgendwas anderes und mache in erster Linie einfach nur Spaß. Dieser vergeht ihm, der meist mit zwei Freunden zusammen nach Geschäftsschluß zu kleben beginnt, jedoch sehr häufig. „Unser Kleister ist kaum getrocknet, da hängt schon ein Konkurrenzplakat über unseren.“ Und das bedeutet für „A tribe called Quast“, wie sich das Klebertrio nennt, daß sie von vorne beginnen müssen. Mitunter geht das noch einige Male so hin und her, bis eine Wand wieder „in unserer Hand ist“, wie H. zu berichten weiß. Ganz so martialisch ist das Geschäft aber nicht, auch wenn H. von „einem Plakatkleberkrieg“ spricht.
Außerdem werden nicht alle fremden Plakate überklebt. Nur besonders häßliche oder solche, die für Veranstaltungen werben, mit denen H. nicht einverstanden ist, werden umgestaltet. Der Rest bleibt hängen. „Wir setzen ganz bewußt Zeichen, indem wir zwei oder drei Plakate stehen lassen.“ Doch sollte dies nicht als Friedensangebot verstanden werden, dann geht der „Kampf um die Wände“ wieder los.
Gerade an den beliebtesten Ek-
1ken tobt der Kampf am heftigsten, obwohl jede Klebertruppe eigentlich ihr festes Gebiet hat. Aber nur eigentlich, denn „Anarchokleber“ funken immer wieder dazwischen. „Die hauen ihre Plakate auf deubelkommraus an die Wände“, kennt H. seine Pappenheimer und wünscht sich ob solcher Chaotik „feste Absprachen, an die sich auch jeder Kleber hält.“ Mit einigen Konkurrenten haben sich „A tribe called Quast“ bereits geeinigt: „Die lassen unsere Wände im Schanzen- oder Karoviertel in Frieden.“
Das ist von einigen Zeitgenossen leider nicht zu behaupten. „Viele
1ältere Menschen stehen den Plakatwänden verständnislos gegenüber und fragen uns, ob die Sauerei denn sein muß“, klagt H., der sein Schaffen als etwas durchaus Kreatives begreift. „Ich will das Stadtbild verschönern und außerdem dienen Plakate der Kommunikation.“
Trotz seiner Routine ist H., wenn er denn klebt, ständig unter Streß. „Ich muß nicht unbedingt dabei gesehen werden“, gibt er zu. Es ist ja auch nicht erstrebenswert, eventuell so zu enden wie jüngst ein Kollege in dem Film Die Liebenden von Pont Neuf. Der wurde einfach abgefackelt. Clemens Gerlach
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