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Immer mehr Menschen verlieren ihre Wohnungen

■ Mindestens 15.000 BerlinerInnen stehen wegen Mietverzug vor der Tür

Berlin. Immer mehr Menschen droht der Verlust ihrer Wohnung: Durch Arbeitslosigkeit und Überschuldung geraten sie mit ihrer Miete in Verzug und stehen plötzlich vor der Tür. Allein in Berlin sind zur Zeit mindestens 15.000 Männer, Frauen und Kinder in dieser Lage – Tendenz steigend. Sie leben in Notunterkünften, Pensionen oder auf der Straße. Rechnet man die anerkannten Asylbewerber und Aussiedler ohne eigene Bleibe hinzu, so erhöht sich die Zahl der Wohnungslosen sogar auf über 25.000.

Obdachlosigkeit trifft mittlerweile auch Menschen aus sogenannten geordneten Verhältnissen. Und die Wohnungslosen werden immer jünger. Fast jeder dritte der offiziell bekannten Obdachlosen ist unter 24 Jahren. Ein „erschreckend hoher Anteil“ von 35 Prozent, so die Senatorin Ingrid Stahmer (SPD), seien Familien oder Elternteile mit minderjährigen Kindern.

Viele Familien haben ihr Budget knapp kalkuliert. Der Abbau der Berlin-Hilfe im Westen, die während der Teilung der Stadt acht Prozent des Nettoeinkommens ausmachte, ist dann kaum zu verkraften. Die 200 Mark, die im Monat fehlen, können „durchschlagende Wirkung“ haben, so die Senatorin. „Viele begehen den Fehler, alle möglichen Schulden zu bezahlen, weil das Fernsehgerät oder die Schrankwand nicht abgeholt werden sollen, zahlen aber ihre Miete nicht, weil ihnen das nicht so wichtig erscheint.“

Plötzlich steht auch der Klempnermeister auf der Straße. Seine Firma hat Pleite gemacht, weil die Berlin-Förderung weggefallen ist. Er verliert nicht nur seinen Arbeitsplatz, sondern auch die Betriebswohnung. Ebenso kann es einem Hauswart mit seiner Dienstwohnung gehen, wenn der Hauseigentümer wechselt und seine Stelle streicht.

Eine neue, bezahlbare Bleibe zu finden, ist bei dem herrschenden Wohnungsmangel und den hohen Mieten fast aussichtslos. Die Stadt versucht deshalb, bereits im Vorfeld zu helfen, damit die Betroffenen in ihren Wohnungen bleiben können. Der Bezirk Schöneberg übernimmt 1993 über eine halbe Million Mark Mietschulden, der Bezirk Kreuzberg eine Million Mark. Hier sind die gemeldeten Mietschulden im Vergleich zum Vorjahr um über 30 Prozent gestiegen, die aus diesem Grund ausgesprochenen Kündigungen sogar um über 60 Prozent. dpa

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