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Abschied von „Grundprinzipien“

Nach einem nun vorgelegten Plan wollen die UNO-Unterhändler Vance und Owen Bosnien nicht mehr nur nach geographischen, sondern auch nach ethnischen Kriterien aufteilen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die im Auftrag der UNO und der EG handelnden Vorsitzenden der Genfer Ex-Jugoslawien-Konferenz, Cyrus Vance und David Owen, haben bislang immer wieder bekräftigte Grundprinzipien für eine Lösung des Konfliktes in Bosnien-Herzegowina aufgegeben. Zu Beginn einer neuen Verhandlungsrunde in Genf, an der neben den Führern der bosnischen Serben und Kroaten, Radovan Karadžić und Mate Boban, auch der muslimische Präsident Alija Izetbegović sowie zeitweise dessen Amtskollegen aus Kroatien und Restjugoslawien, Franjo Tudjman und Dobrica Ćosić, teilnahmen, legten Vance und Owen eine Karte für die Aufteilung Bosnien-Herzegowinas in zehn weitgehend autonome Provinzen vor. Die Kriterien für die darin eingezeichneten Grenzen seien „nicht nur ethnische, sondern auch geographische, wirtschaftliche und historische“, erklärte Konferenzsprecher Fred Eckard. In den letzten vier Monaten seit Beginn der Genfer Konferenz hatten Vance und Owen immer wieder beteuert, ethnische Gesichtspunkte sollten, wenn überhaupt, nur eine völlig untergeordnete Rolle spielen.

Tatsächlich entsprechen die von den beiden Konferenzvorsitzenden nun vorgeschlagenen Provinzgrenzen jedoch weitgehend der im letzten offiziellen Zensus von 1991 festgestellten Bevölkerungsstruktur. Mehrheitlich von Serben, Kroaten oder Muslimen bewohnte Provinzen wurden von Vance und Owen jetzt zu serbischen, kroatischen oder muslimischen Provinzen erklärt. Deren Grenzen sind so geschnitten, daß die Serben und Kroaten zwar von den derzeit von ihnen besetzten zwei Dritteln – beziehungsweise 30 Prozent – des bosnischen Territoriums kleinere Teile wieder abgeben müßten. Doch würden die drei vorgesehenen serbischen Provinzen noch immer weit über 50 Prozent der Fläche Bosnien-Herzegowinas ausmachen. Die bisher größte Bevölkerungsgruppe der Muslime würde ebenfalls nur drei Provinzen erhalten, die ingesamt jedoch nur ein knappes Drittel Bosniens ausmachen würden.

Zum zweiten haben Vance und Owen mit ihrem Kartenvorschlag zumindest einen Teil der bislang von der internationalen Staatengemeinschaft immer als völlig unakzeptabel verurteilten „ethnischen Säuberungs“maßnahmen der Serben als vollendete Tatsachen akzeptiert. Einige der von den Konferenzvorsitzenden serbischen Provinzen zugeschlagenen Gebiete oder Städte – zum Beispiel Banja Luka in Nordwestbosnien – wurden vor Beginn des Krieges im April letzten Jahres noch mehrheitlich von Muslimen bewohnt.

Auch die von Vance und Owen zusammen mit der Karte vorgelegten zehn Grundsätze für eine künftige Verfassung Bosniens weisen weit mehr in Richtung einer Aufteilung der Republik als einer bloßen „Dezentralisierung“, von der bislang immer die Rede war. Die Provinzen sollen weitgehend autonom sein, mit eigenen, jeweils von der ethnischen Mehrheit dominierten Regierungen, Parlamenten und Verwaltungen. Die aus allen drei Volksgruppen zu bildende Zentralregierung in Sarajevo wäre nur noch für die Außenpolitik zuständig. Die jeweilige Mehrheitsgruppe soll auch die Armee der Provinz stellen. Es fiel auf, das David Owen bei der Vorstellung dieses Punktes nur für die vorgesehenen Provinzen 2, 4 und 6 feststellte, daß dort die Truppen der bosnischen Serben und in Provinz 3 die Verbände der bosnischen Kroaten stationiert werden sollten. Für die Provinzen 1, 5, 8, 9 und 10 bleibe es Muslimen und Kroaten überlassen, sich auf die Stationierung von Streitkräften zu einigen.

In der vom muslimischen Präsidenten Izetbegović angeführten bosnischen Regierungsdelegation wurde über eine Reaktion auf den Kartenvorschlag heftig diskutiert. Izetbegović bezeichnete ihn gegenüber Journalisten zwar zunächst als „unakzeptabel“, dann als „deutlich korrekturbedürftige Gesprächsgrundlage“. Eine offizielle Ablehnung vermied er jedoch zumindest bis gestern abend. In einem am Sonntag nachmittag in die Verhandlungen eingebrachtem Papier, das der taz vorliegt, verlangt die bosnische Regierungsdelegation weitgehende Veränderungen der Grenzziehungen. Unter anderem solle die aus der Hauptstadt Sarajevo und ihrer Umgebung gebildete Provinz 7 nicht – wie von Vance und Owen vorgeschlagen – einen Sonderstatus erhalten, sondern entsprechend der muslimischen Mehrheitsbevölkerung eine muslimische Regierung. Änderungen zugunsten der Muslime stoßen jedoch auf entschiedene Ablehnung der Serben. Diese verlangen noch weitere Teritorien- unter anderem die von Vance und Owen den Kroaten zugedachte Provinz 3. Sie stellt die einzige Verbindung zwischen Serbien und der großen bosnisch-serbischen Provinz 2 und damit zu den von den Serben beanspruchten Gebieten in Kroatien dar. Serbenführer Karadžić äußerte sich ansonsten jedoch zufrieden über den „guten Start“ der Verhandlungen. Zugleich bekräftigte er jedoch den Anspruch auf einen eigenen bosnisch-serbischen Teilstaat. Die Genfer Runde soll bis Dienstag mittag fortgesetzt und dann „mit Rücksicht auf das orthodoxe Weihnachtsfest“ (Owen) am 7. Januar für einige Tage „unterbrochen“ werden.

Serben demonstrieren in Mazedonien

Skopje (dpa) – Bei einer Demonstration serbischer Nationalisten in einem mehrheitlich von Serben bewohnten Dorf unweit der mazedonischen Hauptstadt Skopje ist es in der Neujahrsnacht zu Zusammenstößen mit der mazedonischen Polizei gekommen. Diese schritt ein, weil die etwa 150 Serben die Fotos des Serbenführers Slobodan Milošević und der mit ihm verbündeten Freischärlerführer Šešelj und Arkan nicht von einem Mast entfernen wollten. Dabei sollen die Serben – nach mazedonischen Angaben – drei Polizeiwagen beschädigt und einen Beamten verletzt haben. Drei Serben seien festgenommen worden.

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