Aha. Ein Ausländer

■ taz — Autor Lutz Wetzel, das inländische Gemeinwesen bedenkend

Man muß sich vorsehen, heißt es. Es sollen sich Ausländer ins Inland begeben haben. Man hört jetzt überall davon. Auch in unserer Stadt sollen inzwischen Ausländer sein. Die Behörden ergreifen Vorsichtsmaßnahmen. Der Bürger soll Vorräte anlegen. Schutzleute spähen vermehrt in dunkle Gassen. Man berät sich. Wenn Ausländer kommen, will die Stadt wehrhaft sein.

Ausländer sind schwer auszumachen. Die Obrigkeit empfiehlt, wachsam zu sein. Dort, wo ich wohne, ist die Nachbarschaft gewarnt. Menschen, die folgsame Hunde besitzen, verspüren Erleichterung. Man hat Maßregeln vereinbart, um Ausländer als solche erkennen zu können.

Ausländer benutzen ausländische Fahrzeuge. Sie rauchen ausländische Zigaretten und hören Musik, die von Ausländern komponiert wurde. Sie besitzen ausländische Fotoapparate und haben ihre Rundfunkgeräte so eingestellt, daß überiegend Gesang in ausländischen Sprachen zu hören ist. Ihre Kleidung ist zu einem großen Teil im Ausland hergestellt und trägt ausländische Bezeichnungen. Ausländer ernähren sich von ausländischen Speisen, insbesondere von ausländischen Früchten. Aus Gründen, die nicht erforscht sind, bevorzugen sie jedoch inländisches Bier. Ausländer beten einen Gott an, der kein Inländer ist. Ihr Erwerb besteht vielfach im Import ausländischer Waren. Außerdem führen sie inländische Waren ins Ausland aus.

Ausländer bevorzugen Kriminalromane ausländischer Autoren. Ausländer verbringen einen großen Teil des Tages damit, ausländische Filme zu sehen und weiden sich an Geschehnissen in ausländischen Fürstenhäusern.

Durch dieses Verhalten sind Ausländer vom Inländer deutlich zu unterscheiden. In dieser Hinsicht ist dem Bürger vieles von seiner Besorgnis genommen, da er sich orientieren kann.

Die Obrigkeit teilt mit, daß von Ausländern keine unmittelbare Gefahr ausgeht. Man soll ihnen freundlich begegnen, da sie angeblich Inländern, die sich im Ausland befinden, ebenfalls freundlich begegnen. Es sei jedoch notwendig, strenge Gesetze gegen sie zu erlassen, um sich ihrer erwehren zu können. Sonst könne das Volk Schaden nehmen.

Dort, wo ich wohne, ist die Nachbarschaft sehr darauf bedacht, keinen Schaden zu nehmen. Häufiger als sonst blickt man aus den Fenstern auf die Straße, ob sich vielleicht ein Ausländer nähert und Schaden stiften möchte. Diese Maßnahme hat sich bislang als nützlich erwiesen, denn die Ausländer blieben fern. Wie berichtet wird, konnte auch auf Verkehrsstraßen, in Kaufläden und öffentlichen Anlagen kein Ausländer gesichtet werden. Das Gemeinwesen verläuft in der gewünschten Weise und erscheint nicht beeinträchtigt.

Dort, wo ich wohne, wird sogar schon davon gesprochen, daß die Ausländer sich vielleicht in ein anderes Gebiet begeben haben oder sich eventuell noch im Ausland befinden. Es sei sogar möglich, daß sie sich nicht ins Inland begeben wollen. In diesem Fall scheinen die von den Behörden ergriffenen Maßnahmen gefruchtet zu haben, und die Bürger werden ihnen die verdiente Anerkennung nicht schuldig bleiben.

Lutz Wetzel