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Kritische Katholiken begehren auf

■ Die Kritiker wollen „frischen Wind“ im Glauben, doch der Gesprächsfaden mit der Amtskirche ist auch in Berlin in den letzten Monaten immer dünner geworden

Berlin. Mit den Auseinandersetzungen um den gemaßregelten Theologen Eugen Drewermann ist der Gesprächsfaden zwischen dem Berliner Bischöflichen Ordinariat und den „Kritischen Katholiken“ wieder dünner geworden. Weil sich eine Gruppe von etwa 100 Personen nicht mit dem Vortragsverbot für Drewermann in Berliner katholischen Gotteshäusern abfinden wollte und öffentlich Protest erhob, schrieb Kardinal Georg Sterzinsky an ihren Sprecher: „Ihre Presseerklärung fördert meine Dialogbereitschaft mit Ihnen und der Gruppe Kritischer Katholiken nicht.“ Er spreche gerne mit aufgeschlossenen Menschen, nicht aber mit jenen, die „voller Vorurteile“ seien, teilte der Oberhirte mit.

Seit 1988 versucht eine kleine Zahl Gläubiger, aber an der Amtskirche Zweifelnder, „frischen Wind“ in den Glauben und mehr Demokratie in die Institution Kirche zu bringen. Sie wollen sich nicht „mit dem Rückwärtstrend und der Stagnation in der römisch- katholischen Kirche abfinden“, steht in einem Faltblatt. Immer wieder gibt es Schwierigkeiten mit der Kirchenbehörde, wenn die Laien Reformen vorschlagen und etwa nach Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche rufen, die Freiwilligkeit des Zölibats wegen drückenden Mangels an Priestern anregen und für eine komplette Überarbeitung der Sexualmoral eintreten.

Ihr Sprecher Josef Grünwald drückt den gestauten Unmut über die Lage der Kirche im allgemeinen und im Bistum Berlin speziell in heftigen Worten aus: „Wir haben den Eindruck, daß es der Kirche egal ist, wie viele austreten. Hauptsache, die Kirchensteuern stimmen.“ Mit Papst Johannes Paul II. an der Spitze machten sie sich allerdings wenig Hoffnung, daß sich die katholische Christenheit von innen grundlegend erneuern könne, so Grünwald.

Mit Sitz und Stimme in der Laienorganisation des Kirchenbezirks, dem Diözesenrat, wollen sie sich besonders für Ausgegrenzte einsetzen und konsequent tabuisierte Themen aufgreifen. So lädt die Gruppe, die sich einmal im Monat zum Gespräch in der St. Canisius-Gemeinde trifft, Lesben, männliche Homosexuelle und wiederverheiratete geschiedene Katholiken ein, die sonst nicht gern gesehen sind und keine Sakramente empfangen dürfen. Weil Frauen im Dienst der Kirche nicht zu Ämtern mit Weihe zugelassen sind, wollen sich die Kritischen Katholiken wenigstens für die Segnung von Ordensfrauen zu Diakoninnen, etwa für die Arbeit in Krankenhäusern, stark machen. Die Gemeinschaft fordert ein „mobiles Seelsorge-Team“, das als Kirche vor Ort bei Angriffen auf Asylbewerberheime oder Schändungen jüdischer Gedenkstätten die Anteilnahme der Kirche bezeuge, Mahnwachen aufbaue und Opfern geistlich beistehe. „Es dauert sehr lange, ehe die Kirche reagiert“, klagt Oberstudienrat Grünwald. Auf der Liste der Verbesserungsvorschläge für die Pastoral in den Gemeinden steht auch ein besonderer Priester für Obdachlose in der Stadt. dpa

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