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Izetbegović will sich nicht beugen

Auf der Jugoslawien-Konferenz macht der bosnische Präsident deutlich, daß er einen bosnisch-serbischen Staat nicht akzeptieren wird/ Wird Karadžić Verhandlungen verlassen?  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Abbruch oder Durchbruch? Das war gestern nachmittag die große Frage bei der Genfer Ex-Jugoslawien-Konferenz. Am Mittag hatte der Konferenzsprecher Fred Eckard von Fortschritten bei den Verhandlungen der militärischen Kommandeure wie der politischen Führer der drei bosnischen Kriegsparteien berichtet. Doch wenige Stunden später machte das Gerücht die Runde, der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić wolle den Verhandlungstisch verlassen.

Nach Angaben von Eckard hatte Unprofor-General Satish Nambiar den militärischen Komandeuren der drei Kriegsparteien einen 7-Punkte-Katalog vorgelegt, der die in den letzten Wochen erzielten Verständigungen zusammenfaßt. Die Kommandeure waren schon vor Beginn der jüngsten Genfer Verhandlungsrunde am Samstag mehrfach in Sarajevo zusammengetroffen.

Das Papier beschreibt im Detail die Umsetzungsmodalitäten für eine bedingungslose Einstellung aller Kampfhandlungen, die Wiederherstellung wichtiger Infrastruktureinrichtungen, die Öffnung von Straßen, die Entflechtung der gegnerischen Truppenverbände, die Demilitarisierung Sarajevos sowie die Modalitäten für den Rückzug der jeweiligen Armeen in die zehn zukünftigen Provinzen Bosniens. Eckard wollte nicht ausschließen, daß die drei Seiten sich relativ schnell auf dieses Papier einigen könnten. In Kraft treten würde diese Vereinbarung aber erst, wenn sich auch die politischen Führer geeinigt hätten.

Diese debattierten gestern neben den Grenzen für die vorgesehenen Provinzen vor allem die Frage der künftige Souveränität Bosniens. Der muslimische Präsident Alija Izetbegović sowie Vance und Owen bestanden darauf, daß Serbenführer Karadžić diese Souveränität offiziell anerkennt und von seiner bisherigen Forderung nach einem eigenständigen bosnisch-serbischen Teilstaat abrückt.

Als eine zweite „unerläßliche Voraussetzung für jegliche Vereinbarung“ forderte Izetbegović die Unterstellung sämtlicher schwerer Waffen in Bosnien unter strikte Kontrolle der UNO-Truppe Unprofor. Auf beide Forderungen schien Karadžić nicht eingehen zu wollen.

Doch selbst bei einer Einigung in diesen beiden Fragen blieben noch zahlreiche Differenzen über die künftigen Provinzgrenzen – sowohl zwischen Muslimen und Serben wie zwischen Serben und Kroaten. Es galt gestern in Genf eher als wahrscheinlich, daß die Verhandlungen noch bis heute mittag weitergeführt, dann aber bis zum nächten Montag unterbrochen werden. Izetbegović ließ allerdings offen, ob seine Delegation dann noch einmal nach Genf zurückkehrt. Seine Delegation war ohnehin von Vance und Owen unter massiven Druck gesetzt worden, überhaupt an dieser Verhadnlungsrunde teilzunehmen, die von ihnen vorgelegte Karte mit ethnischen Provinzen als Gesprächsgrundlage zu akzeptieren und sich erstmals mit Karadžić an einen Tisch zu setzen. Die beiden Konferenzvorsitzenden hatten Izetbegović gedroht, sie würden die Moslems andernfalls öffentlich als diejenigen brandmarken, an denen ein Waffenstillstand und die Vereinbarung über eine politische Lösung scheitern.

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