■ Mit Kasachstans Umbruch auf du und du: Postkommunistische Monopolbildung
Berlin (taz) – Der Staat hat die Geschäftsführung abgegeben. An Gesetzen mangelt es nicht – die Privatisierung könnte losgehen. Tatsächlich arbeiten offiziell inzwischen fast alle kasachischen Betriebe autonom und auf eigene Rechnung.
Aber die Entstaatlichung bedeutet keineswegs, daß jetzt der freie Markt der Konkurrenten über das Land hereingebrochen ist.
Wie vielerorten in der GUS läßt sich auch in Kasachstan eine neue Tendenz zur Konzern- und Monopolbildung feststellen, wie das Münchner Ifo- Institut für Wirtschaftsforschung jetzt berichtete – gleichsam als Gegenbewegung gegen die zusammenbrechenden staatlichen Verwaltungsstrukturen. Denn nach der Abnabelung von Moskau ist auch die kasachische Bürokratie gleichsam kopflos. Die auf dem Papier stehenden Gesetze lassen sich selten einklagen und fast nie durchsetzen.
Viele Firmen in Kasachstan vereinigen sich unter einem Dach und wickeln Handel und Zulieferung fast ausschließlich untereinander ab. Nach dem Motto „Gemeinsam sind wir stark“ ziehen sie Subventionen an Land. Und nach wie vor kommen die Hälfte aller Aufträge vom Staat. So kontrolliert allein der Konzern KRAMDS nach den Informationen des Ifo- Instituts 10 bis 15 Prozent aller kasachischen Firmen. Auf diese Weise hat es in Kasachstan noch keine Massenentlassungen gegeben. Auch Alte, Invaliden und Kranke finden noch ein bescheidenes Auskommen durch Fonds, die von den Betrieben finanziert werden, in denen sie früher angestellt waren. Kehrseite der Medaille aber ist eine ständig sinkende Produktivität. Die Preise steigen, der Export wird noch schwieriger. Die Lohntüten der Bevölkerung werden immer leerer. Investoren sollen zwar offiziell auch angelockt werden – aber bei den monopolartigen Strukturen haben sie kaum eine Chance, ein Bein auf die kasachische Erde zu bekommen.
Hinzu kommt, daß Kasachstan sowohl finanzpolitisch als auch strukturell noch eng an der Moskauer Nabelschnur hängt. So exportiert die GUS-Republik jährlich 20 Millionen Tonnen Erdöl nach Rußland, und Rußland exportiert 13,4 Millionen Tonnen Erdöl nach Kasachstan. Grund für diesen Handel ist die fehlende innerstaatliche Infrastruktur in Kasachstan. Die enge Verkettung der Wirtschaft mit Rußland hat zudem die Hyperinflation des Rubels zusammen mit den Waren importiert. Wie in fast allen anderen GUS-Republiken gibt es auch hier nur noch Lieferungen gegen Vorkasse, Valuta oder eben als Bartergeschäfte gegen Naturalien. Annette Jensen
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