: Wie Flüchtlinge verschubt werden
■ Blitzaktion zu Silvester: 80 Asylbewerber von München ab in die Oberpfalz
München (taz) – „Hier geht es um Waren, nicht um Menschen“, empört sich Jost Hess, Mitarbeiter des Arbeitskreises Asyl im oberpfälzischen Weiden. Er meint die Blitzaktion am Silvestervormittag, bei der rund 80 Asylbewerber aus der Zentralen Aufnahmestelle in München in einem Bus in eine abbruchreife Unterkunft nach Weiden gekarrt wurden. Keinem von ihnen wurde gesagt, wohin die Reise geht.
Es handelt sich dabei offenbar um eine überstürzte Verschiebe- Aktion von Flüchtlingen, die in der Münchener Aufnahmestelle wegen Überfüllung kein Bett mehr bekommen konnten. Lili Schlumberger-Dogu, Sprecherin des Bayerischen Flüchtlingsrates, sagt, die Asylbewerber seien über ihren Abtransport falsch oder gar nicht informiert worden. Dadurch seien wichtiges Gepäck, Papiere und Geld im Münchener Aufnahmelager geblieben. Auch Jost Hess bestätigt, daß die Asylbewerber ohne Gepäck in Weisen angekommen seien und in einem „äußerst verwirrten Zustand“.
Eine bosnische Asylbewerberin berichtete Jost Hess, daß ihnen die Verantwortlichen auf Fragen nur mit „Fragt nicht“ oder „Das geht euch nichts an“, geantwortet hatten.
Einem albanischen Flüchtling wurde gesagt, mit dem Bus würden sie in eine 1.000 Meter entfernte Unterkunft fahren. „Ich unterstelle den Verantwortlichen, daß sie das bewußt behauptet haben, um sie in den Bus zu locken“ – Lili Schlumberger-Dogu weiß, daß Flüchtlinge bei derartigen Transporten oft ängstlich reagieren.
Ihre neue Unterkunft in Weiden soll am 11.Januar abgerissen werden. Scheiben sind kaputtgeschlagen, Türen ausgerissen, Leitungen hängen von den Wänden, Lampen und Kühlschränke sind defekt. „Dies hier ist nur ein Zwischenlager“, so Jost Hess, „wo die Flüchtlinge Ende der Woche hinkommen, wissen wir nicht.“
Der Verantwortliche für die Verteilung von Asylbewerbern in Oberbayern, Bernd Wagner, streitet ab, daß die Flüchtlinge noch Gepäck und Wertpapiere in München hätten. „Das ist eine Lüge.“ Zu der Tatsache, daß ein albanisches Bruderpaar getrennt wurde, meint er schlicht: „Wir können bei einem solchen Transport unter Zeitdruck und dem dort herrschenden babylonischen Stimmengewirr nicht auf jede Verwandtschaft aufpassen.“
Seine Aussagen hält Lili Schlumberger-Dogu für „absolut unglaubwürdig“. Sie weiß aus Erfahrung, daß Flüchtlinge beim Abtransport nicht informiert würden, auch Dolmetscher seien nicht anwesend. „Beklagen sie sich dann, wird ihnen generell erstmal nicht geglaubt.“ Corinna Emundts
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