piwik no script img

Einstellung des Mielke-Prozesses gefordert

■ Wegen eines Antrages der Verteidigung kam es nicht zum erwarteten Plädoyer

Berlin (taz) – Die gelinde Spannung ob des erwarteten Plädoyers der Staatsanwaltschaft wich augenblicklich. Der gestrige Termin in dem Prozeß gegen Erich Mielke, angeklagt wegen der sogenannten Bülowplatzmorde am 9. August 1931 an den Polizisten Paul Anlauf und Franz Lenk, wurde statt dessen von einem Einstellungsantrag des Verteidigers Stefan König bestimmt, mit dessen Verlesung er eiligst began, noch bevor die Interessierten ihre Stifte gespitzt hatten. Nach Ansicht der Verteidigung ist das Verfahren wegen Mordes gegen das damals 23jährige KPD- Mitglied Erich Mielke verjährt.

In seinem Antrag argumentierte König vor allem mit dem alliierten Kontrollratsgesetz Nr. 4. Danach seien im Nachkriegsdeutschland die deutschen Behörden für die Verfolgung von Straftaten zuständig gewesen. Diese allerdings kümmerten sich nicht weiter um den Fall Mielke, beließen es vielmehr bei der Tatsache, daß die beweisträchtigen Akten in der Sowjetunion unter Beschluß lagen. Die Auffassung der Kammer, wonach schon wegen dieser Tatsache die Verjährung gehemmt ist, sei unzutreffend, weil allein rechtliche Hindernisse, nicht aber tatsächliche eine Verjährungshemmung begründen. „Die Nichtverfolgung nach 1947 beruhte auf politischen Opportunitätsgründen“ nicht aber auf einer rechtlichen Hemmung, faßte König zusammen.

Auch der am 7.2.1947 gegen Mielke erlassene Haftbefehl hätte die Verjährung nicht gehemmt, da dieser von dem nicht zuständigen Amtsgericht bearbeitet und von einem dafür nicht befugten Referendar unterzeichnet wurde.

In seinem Antrag brachte König auch Belege für seine Auffassung, daß es sich bei den Taten Anno 1931 nicht um Mord, sondern vielmehr um Totschlag gehandelt habe. Weder hätten die Täter heimtückisch gehandelt, denn die Opfer rechneten dauernd mit der Gefahr von Übergriffen, noch hätten „niedere Beweggründe“ vorgelegen, weil dafür im Falle Mielkes ein „Machtstreben“ der Täter angenommen werden müsse. „Wessen politische Macht sollte aber gestärkt werden?“ fragte König, wo doch die KPD sich von den Taten distanziert hatte?

Über den Antrag wird der 15. Januar entschieden. ja

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen