: Kuhle Wampe zur Prime Time?
■ Nach 19 Jahren zieht das Kommunalkino ins eigene Haus: das „Kino 46“ in Walle / Rück- und Ausblicke
Erinnern Sie sich an den 7. Mai 1974, so um 18 Uhr? Knapp 19 Jahre ist es nun her, daß das Kommunalkino Bremen mit Kuhle Wampe seine wechselvolle Geschichte begann. Genau 203 Menschen nahmen damals das neue Filmangebot im Cinema Ostertor wahr. Im kommenden Monat bezieht das „KoKi“ endlich eine eigene Abspielstätte in Walle.
204 Mitglieder hatte seinerzeit der e.V. nach nur zwei Monaten, das ist, mit Schwankungen, bis heute so geblieben. Menschen wie der alte SPD-Kempe Gerd Settje und der Uni-Dozent Irmbert Schenk verfolgten damals ein hehres Ziel. Sie wollten Kommerzkino und den Etablierten den Kampf ansagen. Das Umfeld war günstig. 68er Aufbruchsgelüste, die aus dem Boden sprießenden Programmkinos und der Neue Deutsche Film bereiteten den Humus für ein neues Filmverständnis. Im Falle des Cinema-Besitzers Settje hatte das einen unschätzbaren Vorteil. Er konnte als Bremer Speerspitze der neuen Bewegung staatlich bezuschußte Arbeit in den eigenen Räumen leisten. Wohl nie war es so leicht, progressiv zu sein.
Das Publikum war zunächst treu, das Programm vielfältig. „Filme aus der Arbeitswelt — Arbeitskämpfe“ waren zu sehen, zur Situation der Frau oder eine Reihe „Italienischer Neorealismus“. Dienstags im Cinema, Mittwochs in den Lesumer Mühlenbach Lichtspielen und am Donnerstag im alten Atlantis. Aber nur das Cinema beherbergte das KoKi die gesamte Zeit. Knapp eine Viertelmillion Zuschauer waren es Anfang der Achziger, dann sank das Interesse unter 70.000 pro Jahr, heute werden wieder 200.000 gezählt. Im Vergleich zu anderen Städten ist das nicht schlecht.
Das Auf und Ab des städtisch bezuschußten Kommunalkinos war immer eng mit der Kulturpolitik des SPD-Senats verbunden. Um jede Mark wurde (und wird) gekämpft. Schon Ende '74 forderte der Vereinsvorstand eine Verdopplung des Etats (50.000 DM) und eine hauptamtliche Arbeitskraft. Heute sind es zwar fünf, aber deren Zukunft ist zum Teil ungewiß. Allein Karl-Heinz Schmid-Feldhusen und Christine Rüffert als abgeordnete Lehrerin können derzeit ruhig schlafen. Die Posten von Alfred Tews, Ralph Kothe und Neu- Pressereferent Herbert „Johannes“ Perthen hängen in der Luft. Das ist für ein Team, das immer noch kollektiv arbeitet und entscheidet, ein schlimmer Zustand.
Läuft's trotz aller Probleme gut, sagen alle: „Es geht doch“. Wenn nicht, gibt's Kloppe. Als die Zuschauerzahlen rückläufig waren, hagelte es Politiker-Kritik. 1988, beim Festival Mai '68 und der Film über die Studentenbewegung, kam viel Publikum, und das KoKi Bremen bekam einen überregionalen Namen. Heute sind die „Culture Vulture“-Reihe mit anglo-irischen Filmen und die reinen Frauenvorstellungen die Renner. KoKi-Alltag: Volkshochschulseminare, DGB-Bildungsseminare und immer wieder Filmreihen- und Festivals. Der frühe Albanische Film fand dort ebenso seinen Platz wie die höchst erfolgreiche Südafrika- Woche oder ein Kinderfilmfest in Zusammenarbeit mit dem Bremer Filmbüro.
Freuen sie sich auf das neue Domizil in Walle? Jein, lautet die Antwort auf den „eminenten Unsicherheitsfaktor Kino 46“, so der Name der neuen Abspielstätte in der Waller Heerstraße. Fünf Jahre dauerten die Bemühungen um das Kino, aber wird ihnen der „Viertel-Effekt“, das „Dorfdenken“ zusetzen? Die Hälfte des Stammpublikums befürchten sie zu verlieren, neue BesucherInnen erhoffen sie sich aus dem Bremer Westen.
Ab Februar können Filme auch endlich zur „Prime Time“ gezeigt werden, anders als zur Zeit im Cinema. Filmnächte soll es geben und Stummfilme. Nur auf die Blues Brothers darf niemand hoffen. „Die Vereinsstruktur des KoKi bleibt“, so Schmid-Feldhusen, „und außerdem glauben wir an den Geschmack unseres Publikums“. Jürgen Francke
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